
Auf einer großen Busrundreise ...
Seit der Colorado River aus immer noch unbekannten Ursachen seinen Wasser- stand in erheblicher Weise dauerhaft verändert hat, und infolge dieser großen Pegelschwankung zugleich das gesamte Erscheinungsbild des Grand Canyon für seine Betrachter in kaum zu übersehende Mitleidenschaft gezogen wurde, ent- spricht zum äußersten Leidwesen der globalen Tourismusindustrie die Realität an den einst so spektakulären Aussichtspunkten schon lange nicht mehr den seltsa- merweise in Urlaubskatalogen und auf Internetreiseseiten noch immer unermüd- lich verwendeten einladenden Bildern aus vergangenen Zeiten.
Diese gravierenden Umwälzungen stellte die Branche vor Herausforderungen bis- lang ungekannten Ausmaßes, und damit selbst jene Touristen mit dem geringsten Allgemeinwissen die Widersprüche zwischen Prospektidylle und knallharter Wirk- lichkeit vor Ort logisch nachvollziehen können, müssen die Reiseleiter an den Ab- gründen dieser weltberühmten Naturkulisse inzwischen täglich ihr auf speziellen Seminaren erworbenes Knowhow unter Beweis stellen, um vor allem die bei völ- lig übermüdeten Rundreisetouristen schnell von anfänglicher Euphorie über läh- mendes Entsetzen in explosive Wutanfälle umschlagenden Stimmungslagen sofort gegen deutlich positivere Denkweisen einzutauschen.
Sprüchekönig Danny Brown kann hierbei mit seiner 2012 auf der Vollversam- mlung weltweit bewährter Reiseleiter in Los Angeles beim Wettbewerb Beschöni- gung bestehender Fakten am Beispiel des Grand Canyon preisgekrönten Be- schwichtigung für die Branche eine Erfolgsbilanz von schier unglaublichen 100% verbuchen, wenn es für ihn bei der Ankunft des großen, vollklimatisierten Luxus-reisebusses entscheidend darum geht, bald einsetzenden zornigen Forderungen nach sofortiger Rückerstattung des Reisepreises noch an Ort und Stelle mit einem charmanten Lächeln zu begegnen.
Als Profi, der das berühmte Credo eines seiner früheren Ausbilder, We can palm all off upon tourists!, in großen Buchstaben über sein Bett geschrieben hat, weiß er nämlich nun schon aus jahrelanger Praxis sehr genau, dass ihm anvertraute Reisegruppen in dem Moment des väterlichen Schutzes und Trostes ganz beson-ders bedürfen, wenn jene Touristen, die noch während sich öffnender Türen mit ihren Kameraausrüstungen als allererste aus dem Bus geklettert waren, nur weni-ge Augenblicke später wutschnaubend, teilweise unter Schock vor Verzweiflung weinend, vom nahen Aussichtspunkt zurückkommen und die übrigen Mitreisen-den mit schrecklichen Erzählungen in Aufruhr versetzen.
Bitte, ich bitte Sie! Bleiben Sie ruhig und gelassen!, beginnt Danny Brown dann jedes Mal in sanftem Ton seine wohlbedachten Worte. Ich kann Ihren Unmut über die zahllosen verpassten, so imposanten Erinnerungsfotos, die bei Ihnen daheim wirklich jeden Freundeskreis in allerhöchstes Staunen versetzt hätten, sehr gut nachvollziehen. Und genau aus diesem Grund habe ich kurz vor unserer Ankunft extra für Sie alle hier als Wiedergutmachungsbonbons nicht nur zwei äußerst po- sitive -nein, stellen Sie sich nur vor!- sondern sogar darüber hinaus noch eine wei- tere, etwas verbesserungsfähige Information in meinen immer serviceorientierten Reiseleiterucksack gepackt.
Hahaha, da beginne ich doch einfach einmal von hinten: Aufgrund der für diese Region ungwöhnlich starken Regenfälle der letzten Wochen mit Niederschlags-mengen bis zu 200 Litern pro Quadratzentimeter ist die berühmteste Schlucht auf unserem Globus zur Zeit bedauerlicherweise nur unvollständig zu bewundern, wofür ich mich bei Ihnen, auch im Namen des Colorado River, ausdrücklichst ent- schuldigen möchte. Er lässt sie übrigens recht schön grüßen.
Hahaha, doch jetzt kommen auch schon die sehr guten Nachrichten: Denn dafür -oh, welch ein Zufall des Glücks!- können Sie heute bei diesem herrlichen Wetter, und das haben wir wirklich äußerst selten hier, fantastischste Ausblicke auf die derzeit teuerste und modernste Stromtrasse der Vereingten Staaten sowie auf eine wahrhaft technische Superlative zeitgenössischer kühner Brückenkunst genießen, welche das weltbekannte Naturdenkmal in spektakulärer Eleganz überwinden und Ihnen dabei aus ganzem Herzen fröhlich winkend zurufen: "Hallo, Arizona! Ist das heute nicht ein wundervoller Tag?" Und darüber hinaus -stellen Sie sich nur vor!- hat die UNESCO bereits gleich mehrere wissenschaftliche Studien an der Princeton University in Auftrag gegeben, damit es durch neueste metere- ologische Innovationen bald endlich gelingen wird, diese lästigen Tiefdruckge- biete ein für alle Mal um die Grenzen des Bundesstaates Arizona herumzuleiten. Haben Sie deshalb bitte noch ein bisschen Geduld, schon bei Ihrem nächsten Besuch wird es ihnen mit Sicherheit vergönnt sein, die grandios im Sonnenlicht leuchtenden, steil abfallenden Felswände in ihrer vollständigen Pracht atemlos zu bewundern. Denn das sind Sie uns als Buchungskunden wert!
Und nach so viel Positivem an einem Tag frage ich Sie jetzt: Kann es da für uns nichts Schöneres geben, als sich nun gemeinsam zur Aussichtsplattform zu bege-ben, um unseren beiden sympathischen Freunden vor lauter Freude jubelnd zu-rückzuwinken: "Ja, Arizona, das ist er! Und er wird noch 1000 mal schöner!"
Sobald Danny Brown während der daraufhin wild erfolgenden Wink- und Jubel-orgien von den fröhlichen Gesichtern präzise ablesen kann, dass sich auch der traumatisierteste Reisende trotz hinzunehmender Seheinschränkungen wieder ein-deutig in der gesundheitlichen Lage befindet, erwartungshungrig noch vielen wei-teren grandiosen Sensationserlebnissen entgegenzufiebern, lässt er die Gelegen- heit nicht ungenutzt, den wiederbelebten touristischen Optimismus schnell auch noch für ausdrückliche finanzielle Verzichtserklärungen zu nutzen.
Ich bitte Sie jetzt alle noch einmal um ihre werte Aufmerksamkeit, denn es folgen wichtige Hinweise zum weiteren Programmablauf. Wenn wir gleich durch die Wildnis zur eben erwähnten verwegenen Raffinesse junger, ungestümer Avant-gardisten wandern, werden wir unterwegs an den Stromtrassen einen kurzen Zwischenstop einlegen, wo Sie von mir ausreichend Zeit für erste traumhafte Er- innerungsfotos bekommen.
Aus Erfahrung weiß ich jedoch, dass dabei Touristen immer wieder gerne die gi- gantischen Masten hinaufklettern, um hoch oben von deren Querstangen aus das atemberaubende Panorama mit die lieben Daheimgebliebenen noch sprachloser machenden Fotos einfangen zu können. Nicht selten sind auch frisch verliebte Paare in verrenktesten Posen im glitzernden Stahlgewirr zu beobachten, wie sie Selfies schießen und sich auf diese Weise todesmutig ihre ewige Liebe gestehen. Seit ein paar Monaten schleichen sich sogar immer öfter als harmlose Touristen getarnte Blogger oder andere in Sozialen Netzwerken Postende in unsere Reise-busse ein, die dann waghalsig bis ganz auf die zugigen Spitzen kraxeln und dort angesichts des ihnen dabei zuteil werdenden gewaltigen Adrenalinschubs vor lauter Entzückung auf einem Bein hüpfend ihren Followern oder Profilbesu- chern über eine von ihnen gerade entdeckte neueste Trendsportart berichten, die die Welt noch nicht gesehen hat.
Ich weise Sie alle hiermit ausdrücklich auf ein Verbot zur Besteigung der Leitungs-masten hin, denn wenn ich beim ein oder anderen von Ihnen mit meinen gold- prämiierten Fangkünsten für ein sicheres Ende seiner Extratour in nicht nur spekta-kuläre sondern auch schwindelerregende Höhen sorgen muss, so ist das nicht im Reisepreis inbegriffen. Und Heldentaten sind in Arizona teuer.
Ähnliches gilt, wenn wir später das krönende Ziel unseres heutigen gemeinsamen Spaziergangs erreicht haben werden: die Canyonbrücke. Beachten Sie bitte jetzt schon, dass Sie dort bei der Ankunft einem sofortigen Zwang zum Fotografieren und Staunen ausgesetzt sein werden, wie Sie ihn sich in diesem Moment selbst ansatzweise kaum vorstellen können. Trotz des enormen Hochwassers sind die Blicke von dort auf die Klippen und in die Tiefen der Schlucht nämlich weiterhin als ungebrochen phänomenal zu bezeichnen, und sie erzeugen daher an vielen Stellen oft nicht zu unterschätzende Schwindelanfälle. Beugen Sie sich deshalb unter gar keinen Umständen zu weit über das Geländer, denn wenn ich den einen oder anderen Neugierigen wegen allzu vorwitziger Staunerei mit meinen goldprämiierten Schwimmkünsten aus den alles mitreißenden Wasserfluten des Colorado River retten muss, so ist das nicht im Reisepreis inbegriffen. Und Hel-dentaten sind in Arizona teuer.
Noch etwas: Weil etwa 99% der hier von mir durchzuführenden halsbrecherisch- en und todesverachtenden Rettungsaktionen auf erwähnte Blogger, Poster oder von deren größenwahnsinnigen Posen zur körperlichen Nachahmung animierten Personen zurückgehen, ist in den Reiseverträgen unter Hochstellzeichen 465 als AGB zudem klar geregelt, dass zur Vermeidung solcher lebensrettenden Maß-nahmen live vom Grand Canyon aus erfolgendes Bloggen und Posten strikt unter- sagt ist. Das gilt übrigens auch schon hier für den Busparkplatz.
Zum Abschluss erklärt jetzt bitte jeder von Ihnen per Unterschrift, dass er von mir über die soeben geschilderten Staungefahren belehrt wurde und diese auch ver-standen hat, weshalb sämtliche Rettungskosten bei etwaigem Fehlverhalten selbst zu tragen sind. Ganz wichtig: Mit Ihrer Signatur erhält zugleich die in Ihren Rei-severträgen unter Hochstellzeichen 121y aufgrund knapper Kassen extrem klein gedruckte Staungarantie ihre volle Rechtsgültigkeit. Eventuelle Forderungen nach Reisepreisminderungen werden somit bei Gericht keinerlei Aussicht auf Erfolg haben. Danke für ihre Kooperation!

Man kann sich nur zu gut vorstellen, wie sehr es Danny Brown missfiel, als eines Tages eine noch ziemlich junge, aus Hessen stammende Touristin seinen profes-sionell eingeübten Beschönigungformeln, die er wie immer von der ersten vorde-ren Bustürstufe vor ihm neugierig lauschenden Reisenden zum Besten gab, nach-dem seine huldvoll winkende Hand die äußerst aufgewühlt wirkenden Rückkehrer freundlich, aber bestimmt in die übrige Gruppe wieder eingliedern konnte, unge-fragt widersprach.
Obwohl sie nicht zu denjenigen gehört hatte, welche nach dem erfolgreichen Be-zwingen gerade aufgehender Bustüren mehr stolpernd als rennend sowie dabei teure Kamerausrüstungen wild schwenkend als erste zum nahen Aussichtspunkt gestürzt waren, und ihr deshalb noch kein persönliches Bild vom Ernst der Lage vorlag, hielt die Jugendliche sich dennoch für kompetent genug, mit eigenen, spe-ziellen Interpretationen zum Sachverhalt den aufrund höherer Gewalt ohnehin be-reits gedämpften Erwartungshorizont weiter zu reduzieren.
Gerade als sich Danny Brown nämlich auf besagter ersten Stufe der vorderen Bustür vor Elan sprühend in den Höhepunkt seiner väterlichen Fürsorgepflichten hineinsteigerte, trat das Mädchen plötzlich aus der versammelten Zuhörermenge hervor, zog einen völlig perplexen Reiseleiter einfach so mir nichts dir nichts von dieser herunter und nahm kurzentschlossen selbst dessen Platz auf dem Redner-podest ein; und noch ehe Danny Brown die Lage überhaupt richtig begreifen konnte, trommelten schon zwei geballte Fäuste wie Hammerschläge laut gegen die nach innen geöffnete Tür, um für ihre Thesen hinsichtlich möglicher Ursachen des hohen Pegelstandes allgemeine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Liebe Mitreisende, hört mich an! Meiner Meinung nach kommen als Ursachen für das, was Ihnen unser Resieleiter eben gerade etwas umständlich erläutert hat, keine starken regionalen Niederschläge, sondern ausschließlich die gefährlichen vulkanischen Aktivitäten auf dem mittelamerikanischen Kontinent in Betracht. Wis-sen Sie, trotz meines jungen Alters bin ich schon viel in der Welt herumgekom- men, und dabei fiel mir vor drei Jahren während unseres Costa Rica-Urlaubs auf, dass der Rio Colorado erstaunlicherweise nicht nur durch den Grand Canyon, sondern auch über eine unter dem von Vulkanismus geprägten Nationalpark Rin-cón de la Vieja verlaufende tektonische Verwerfungslinie hinwegfließt, berichtete sie ihrem sprachlos dreinschauenden Publikum stolz über ein in diesem Kontext aufschlussreiches früheres Ferienerlebnis, an das sich die eifrige Erzählerin an-scheinend immer noch gerne zurückerinnerte.
Meine Theorie lautet daher, sprudelte es belehrend weiter aus ihrem Mund her-vor, dass im unergründlichen Inneren unseres Planeten unterhalb Costa Ricas tek-tonische Verschiebungen stattfinden, welche infolge immenser Kräfte den Grund-wasserspiegel immer mehr ins Flussbett hineindrücken. Somit reichen leichteste Erdbeben, deren Epizentren direkt unter dem Nationalpark liegen, bereits aus, um die ja ohnehin schon angestiegenen Wassermengen des Colorado River nun als ruckartige Schockwellen Richtung Arizona zu schieben. Mit solchen simplen geologischen Abläufen lässt sich sein gewaltiger Pegelanstieg ganz einfach er-klären.
Mulmige Gefühle überkamen Danny Brown bei solch einer unerwarteten, unlieb-samen Konfrontation mit der Tatsache, dass hier plötzlich Touristen wohl offen- bar etwas von Geographie sowie Geologie verstanden, wodurch sie mittels fun-dierter Widerworten nun imstande waren, jahrelang perfekt funktionierende Be-schwichtigungskonzepte binnen Sekunden zum Einsturz bringen zu lassen. Und tatsächlich, noch ehe er seine düsteren Vorahnungen weiterdenken konnte, mus-ste der König auf dem Gebiet charmant plaudernder Reisebusunterhaltung bereits hilflos mitansehen, wie jene noch ziemlich junge Hessin zunächst erst zögerli- chen, dann aber immer stärker werdenden Applaus für ihr aufklärerisches Enga-gement erntete, weshalb Fachmann Danny Brown schlagartig realisierte: Diese neue Lehre musste von ihm umgehend eingedämmt werden, bevor anfangs nur wenige Funken sich wie ein Flächenbrand zu Ungunsten künftiger Buchungszah- len rasend schnell ausbreiten konnten.
Bevor der unangefochtene Superstar am Reiseleiterhimmel jedoch einen seiner insgesamt 8 speziell für derart unvorhergesehene Pannen entwickelten, von Bran-chenkennern als "legendär" bejubelten Notfallsprüche einzusetzen vermochte, hatte der geologische Thesenanschlag an der Bustür wie befürchtet schon erste bekennende Anhänger gefunden. Gottgütiger, die Kleine hat vollkommen Recht! So wie Doktor Martin Luther damals an der Tür der Schlosskirche zu Wittenberg!, rief en sichtlich erschüttertes älteres Ehepaar voller Angst aus. Wir waren nämlich vor drei Jahren ebenfalls in diesem Nationalpark, wo der Colorado River als rei-ßender Fluss die Hänge des Rincón de la Vieja hinabstürzt. Nicht auszudenken: Sollte dort jetzt der Vulkan ausbrechen oder wie damals ein schweres Erdbeben die tekronische Verwerfungslinie aufreißen, als wir beim leckeren Mittagsbüffet im plötzlich heftig schwankenden Restaurant dachten, das Jüngste Gericht sei an-gebrochen, dann ergießen sich binnen weniger Minuten oder auch nur Sekunden megatonnenweise gewaltige Schlammassen von Costa Rica bis hierher und ver-wandeln ganz Arizona die in ein grau gefärbtes Massengrab; oder heftigste Erd-stöße pressen das Grundwasser dermaßen ruckartig ins Flussbett hinein, dass der Rio Colorado den Bundesstaat kurze Zeit später mit brausenden Flutwellen über-rollt. Aber das ist dann letztlich auch egal, denn auf jeden Fall werden wir hier alle umkommen. Ja, keiner aus unserem Bus kehrt jemals wieder nach Deutsch-land zu seinen Lieben daheim zurück. Ach, es erbarme sich unser der Herr!

Während die noch ziemlich junge Touristin aus Hessen nun von allen Seiten mit ängstlichen Fragen bestürmt wurde, ob sie denn aufgrund ihrer in Costa Rica ge-sammelten Erfahrungen auch wissenschaftlich fundierte Prognosen über in den nächsten Minuten bestehende Wahrscheinlichkeiten einer Eruption des Rincón de la Vieja beziehungsweise dort tief unter ihm abprupt einsetzenden heftigen seis-mologischen Aktivität treffen könne, begab sich Danny Brown mit seinem Dienst-handy am Ohr etwas abseits der verunsicherten Gruppe, um ungehört der Reise-veranstalterzentrale vorschriftsmäßig im Fall unerwartet eintretender Vorkommnis- se umgehend Meldung zu machen.
Aufgrund der brisanten aktuellen Situation zog er es nämlich lieber vor, strikt Arti-kel III des 2014 auf einem Kongress in Neu Dehli von allen im Tourismussektor agierenden großen Marktriesen verabschiedeten standardisierten Richtlinienkata- logs International regulations concerning Cruisade directors and Touristguides during unexpected irregular situations einzuhalten, statt durch leichtfertige ei-genmächtige Entscheidungen den steilen Sinkflug seines mühsam erarbeiteteten Reiseleitersterns vom Himmel herab zur Erde einzuleiten. Besagter Artikel III regelt nämlich in den Abschnitten 1 bis 3 ganz klar folgende Sachverhalte:
(1) Jeder Reiseleiter besitzt für den Fall sich unerwartet ereignender, mit äußerster Heftigkeit über regulär angedachte Abläufe toutistischer Maßnahmen hereinbre-chender, von ihm jedoch in keinster Weise selbst zu verantwortender Ereignisse jeglicher Art, etwa ein aufgrund versagender Weltraumteleskope aus heiterem Himmel erfolgendes Eindringen gefährlicher Meteoriten in die Erdatmossphäre, im tropischen Regenwald ihr Erscheinen verweigernde, jedoch zuvor lautstark an-gepriesene exotische Tiere, zu niedrige Brückenkonstruktionen, welche geplante, von Kreuzfahrtpassagieren fieberhaft herbeigesehnte Hafeneinfahrten unmöglich machen oder andere Eventualitäten gravierender Tragweite, grundsätzlich freien Handlungsspielraum zum Einleiten deeskalierender, berechtigte Minderungs- oder Rückerstattuungsforderungen überflüssig erscheinen lassender Maßnahmen.
(2) Im Sinne kundenfreundlich gewährleisteter Ausführungen sämtlicher in Reise-programmabläufen enthaltenen touristischen Diensteistungen besitzen reibungslos von statten gehende Umsetzungen angebotener Vergnügungsamüsements oberste Priorität. Aus diesem Grund dürfen von lokalen Reiseleitern vor Ort gemäß Ab-schnitt 1 als dringendst notwendig erachtete Notfallmaßnahmen, beispielsweise vorzeitige Reiseabbrüche, Programmausfälle, Streckenänderungen, Verweigerun-gen gebuchter Zusatzangebote wie das Essen in Restaurants à la carte oder gar Maßregelungen ungebührlich auftretender Reisegäste, etwa durch Erteilung sofor-tigen Zimmerarrests oder gar Ausschließen vom weiteren Reiseverlauf nur nach ausdrücklicher Absegnung von höchster zuständiger Stelle eingeleitet werden.
(3) Zur absoluten reiseleiterischen Gewissheitserlangung, ob konstatierte, situativ vorliegende Notfallsmaßnahmen nach sich ziehen müssende Ereignisse objektiv vorliegen oder eher subjektiv übereilte, nicht verallgemeinerbare Einschätzungen darstellen, erhalten von höchster zuständiger Stelle genehmigte freie Handlungs- spielräume erst dann ihre Gültigkeit, nachdem der Bittsteller binnen Frist von 60 Minuten ab positiv beschiedener Erstantragsstellung dreimal beim selben Autori-tätsinhaber Erkundigungen eingeholt hat, ob die ihm gemachten Zugeständnisse weiterhin gelten.
Uns Karussellpferde erreichten kritische Meinungen, welche sich nach Veröffentli- chung der Fotogeschichte sofort dahingehend äußerten, die im Zusammenhang mit den Vorgängen am Grand Canyon erwähnten Reiseleiterdienstvorschriften, insbesondere Aritkel III, seien künstlich übertrieben, maßlos aufgebauscht, an den Haaren herbeigezogen und dienten alleine zum Füllen leerer Seiten. Gegen sol-che Vermutungen müssen wir vehement Widerspruch einlegen! Um die Relevanz oben genannter Regelungen in ihrer ganzen Tragweite für Leser besser vertänd-lich zu machen, haben Helanchri und Simon daher Alessa Marie an dieser Stelle zunächst eine kurze Unterbechung ihrer aufrichtigen Berichterstattung aus Arizo-na angeraten. Die Künstlerin wendet daher zunächst den Geschehensblick vom Grand Canyon ab in Richtung Japans Hafenmetropole Yokohama, erschütternden Ereignissen entgegen, weshalb auch nur nervenstarken Seitenbesuchern ein konti-nuierliches Weiterlesen empfehlenswert ist. Wir bitten um Ihr Verständnis!
Mit jenen auch als New Dehli Tourism Act bekannt gewordenen Maßnahmenre- gelungen reagierte die Branche nämlich zwangsweise auf einen schweren Kreuz- fahrtschiff-Zwischenfall, der sich am 26. Oktober 2000 in der Bay of Tokyo im Rahmen eines Vorgangs zum Austendern der Tagesausflügler an furchtbaren Din-gen zugetragen hatte. Bitte halten Sie für das nun Folgende genügend Taschen-tücher parat.
Damals lag die Having Fun Forever auf ihrer Jungernfahrt rund um Japans Küsten für zwei Tage in der Tokio-Bucht vor Anker, ihrerzeit der gewaltigste, gigantisch- ste, phänomenalste, modernste und verständlicherweise teuerste Luxusliner, den die Welt bis anno 2000 sowie danach je zu Gesicht bekommen hatte. Ja, seine Ausmaße waren derart ins Superlative gesteigert worden, dass Papenburgs Inge-nieure ernsthafte Zweifel hegten, ob spekaktuläre Schiffe solcher Größenordnun-gen es überhaupt jemals bis zur Emsmündung schaffen könnten.
Angesichts solcher Hybris war man beim Auswählen leitenden Peronals beson-ders sorgfältig vorgegegangen und hatte die Meßlatten während des Auswahl-verfahrens dermaßen willkürlich hochgeschraubt, dass die verantwortungsvolle Stelle des Kreuzfahrtdirektors keinem anderen als Mister Joe Baker aus Ohio zu-fallen konnte. Niemand außer ihm wäre vom kritischen Veranstaltergremium samt Reederei jemals für würdiger befunden worden, urlaubskonsumfreudige, gut zah-lende Gäste besser bei Laune halten zu können. Branchenkenner nannten ihn gar einen nautischen Gaius Julius Cäsar. Ein Alleskönner. Ein Macher. Hans Dampf auf sämtlichen Decks. Ein echter Gewinnerkerl, der Vercingetorix damals binnen zwei Wochen besiegt hätte. Immer lustig drauf. Immer fröhlich am Lachen. Stets für ein munteres Schwätzchen bereit. Er, welcher stark mobilitätseingeschränkten Senioren Hochleistungsfitnesskurse des Schwierigkeitsgrades 9 von 10 andrehen konnte. Er, den sie beim Betreten eines jeden Kreuzfahrtschiffes mit Pfeifentönen ehrfurchtsvoll grüßten, obwohl ihm das dafür benötige Dienstabzeichen fehlte. Er, dem die Bordkapelle auf seinem vom Konfettiregen gesäumten Weg zur extra frei gemachten Kapitänskajüte voranschritt, während abkommandierte Bordoffiziere als Lakaien das Gepäck hinterhertrugen. Ein antiker Triumphzug erfolgreich nach Rom zurückgekehter Feldherren hätte wahrlich nicht ruhmreicher ausfallen können ... ja ... bis zu jenem Tag, an dem die stets unberechenbar bleibende Fortuna ihm schlagartig alles nahm und Joe Baker mit einem einzigen Tritt der Bordrei- nigungsmannschaft zukickte.
Nachdem die Having Fun Forever ihre Kreuzfahrttour im südjapanischen Fukuoka begonnen hatte, geriet sie nordöstlich von Osaka in ungemütliche Vorboten eines Taifuns, welcher sich mit hoher Geschwindigkeit westwärts auf das Festland zube-wegte, sodass vor Nippons Uferlinien bereits erste schwere Brecher anbrandeten. Wegen dieser prekären Wetterlage gingen auf der Brücke entsprechend alarmie-rende Funksprüche von Japans Küstenwache ein, nach dem Einfahren in die Bay of Tokyo unter keinen Umständen irgendeinen Befehl zum Austendern zu geben; andernfalls könne bei solch rauher See niemand während des lebensgefährlichen Pendelvorgangs für Menschenleben garantieren.
Imperator Joe Baker schenkte allerdings der ihm vom russischen Kapitän Igor mit- geteilten Nachricht über die weise ausgesprochenen Warnungen keineswegs je-nes aufmerksame Gehör, das ihnen eigentlich zum Passagierwohl hätte zukom-men müssen. Nein, vielmehr kommentierte Julius Caesar sie mit Kopfschütteln und Fingertippen an seine Stirn, verstand er doch nicht den Sinn ständig durchs Funk-gerät schallender Mahnungen Don't tender in the Bay of Tokio! Over! angesichts Yokohamas modernem Fährterminal.
Umso ungläubiger starrte daher Joe Baker samt Kapitän Igor und den Offizieren kurze Zeit später vom Brückenstand Richtung Landmark Tower, mussten sie doch fassungslos realisieren, dass die vor Erreichen des Hafens noch zu passierende, 1989 eingeweihte Yokohama Bay Bridge von ihren damaligen Konstrukteuren mit stolzen 55 Metern lichte Höhe für eine Queen Elizabeth 2 tatsächlich perfekt erbaut worden war, schwimmenden Städtegiganten wie der Having Fun Forever hingegen das als absolut sicher geglaubte, locker bewältigbare Einlaufen katego- risch verwehrte. Nach längerem Funkkontakt mit der Hafenverwaltung kam man deshalb zähneknirschend zum kundenunfreundlichen Entschluss, die Anker notge-drungen mitten in der heftig aufgewühlten Tokio-Bucht statt wie geplant direkt am bequemen Pier werfen zu lassen.
Auf diese Weise vor vollendete architektonische wie metereologische Tatsachen gestellt, sah sich Kreuzfahrtdirektor Baker urplötzlich mit diversen unerwartet ein-tretenden Problemkonstellationen konfrontiert, deren hochkomplizerteste Dichte in der gesamten bisherigen Branchengeschichte noch keine vergleichbaren Gradstu-fen vorweisen konnte. Einerseits lag bei solchem Wellengang selbst jener überdi-mensionierte Titan namens Having Fun Forever unangenehm unruhig im Wasser, was irgendwelche Austenderungsaktionen tatsächlich höchst unratsam erscheinen ließ. Andererseits hatte der gewiefte, raffinierte Verkaufsstratege seit Fukuoka an Bord seine Runden gedreht und das im Reiseprogramm versprochene absolute Highlight überall lautstark angepriesen, als ob es alle 7 Weltwunder zusammen überträfe. Wo auch immer er Passagieren habhaft werden konnte wurden sie mit strahlendem Lachen wortwörtlich angequatscht, um ihnen den bald anstehenden Landgang nach Tokio beziehungsweise Yokohama unter die Nase zu binden. Ja, selbst ins abendlich laufende Showprogramm kam Julius Caesar mit gellendem Schlachtruf und lärmender Bimmelglocke unversehens hereingeplatzt: Toooooook-kkyyyooooooooooo!!!!!!!!! Visit Tooooooooookkyyyyyyyyyoooooooooooo!!!!!!!!! And Yokohaaaaaaaaaaammmmmaaaaaaaaaaa!!!!!!!! So erschien Japans größ-ter Ballungsraum quasi in der Rolle einer reißerisch geschickt angepriesene Jahr-marktsensation, deren damit aufgebaute Erwartungshaltungen selbstverständlich auch bedient werden wollten. Anders ausgedrückt: Joe musste in der stürmischen Tokio-Bucht liefern. Als verantwortungsvoller Realist blieb ihm angesichts gefährli- cher Wogen jedoch keine andere Wahl, als 4085 Vorfreuden zerstörend mit sei-ner tönenden Bimmelglocke jetzt etwas bescheidener umherzuschreiten: I'm so sorry, no day's excursions. I'm so sorry! Our next stop will be Sapporo.
Joe Baker hatte mit dem Verteilen deftiger Erwartungsdämpfer an fröhlich gestim-mte Sensationsgierige kaum begonnen, durftte er in seiner langjährigen Karriere als Kreuzfahrtdirektor erstmals die recht verstörende Erfahung machen, dass kurz-fristige Hiobsbotschaften beim Publikum über das gängige meckernde, aber letzt-lich dennoch akzeptable Unverständnis hinaus manchmal leider auch radikalere Reaktionen erzeugen können.
Statt ihm nämlich für so viel umsichtiges Sicherheitsdenken an Bord mit einem auf-richtigen Thank you very much, Sir. God bless you! zu antworten, verzogen sich vielmehr prompt mürrisch sämtliche Mienen, und auch die charmant formulierte Durchsage vom Käpt'n persönlich, jeder Landgänger bekäme gegen Ticketvorla- ge anstandslos den Ausflugspreis voll zurückerstattet, rettete Joe Baker nicht vor der bitteren Erkenntnis, wozu ungehaltene, sich um viel Spaß betrogen fühlende Massen trotz kulanter Ausgleichsregelungengsangebote fähig sind.
Um die inzwischen explosive Stimmung mit dem innovativen Zaubertrick schnell unter Kontrolle zu bekommen, rief der Kaiser aller Kreuzfahrtdirektoren sofort sei-ne Kollegin Linda an: The Happy-Team, cuty! The Happy-Team must come immedi-ately to deck 4 near the Happy Eating! There's damned moodiness here! --- Oh my God! What's going on there, Joe? You need 8? Or 14?, wollte daraufhin die Managerin für Bordanimation mit niederländischem Akzent wissen. Gimme all you have, sweety!!!, lautete die Antwort. Und Julius Cäsars Diensthandy steckte anschließend keine fünf Minuten wieder im echt ledernen Etui, als sich vom Heck 28 kunterbunte Clowns im Entengang watschelnd und mit hochgestreckten Armen herumfuchtelnd ihrem von Linda angewiesenen Einsatzort näherten.
Endlich! Das Happy-Team war da! Profis. Absolventen weltweit renommiertester Clownschulen. Eine Bordeingreiftruppe, die man in Australien, Chile, Mosambik, Usbekistan sowie Spanien rekrutiert hatte und auf der Having Fun Forever erst-mals als Teil der Unterhaltungscrew mitfuhr. Ein Novum. Die Brancheninnovation. Extra aufgestellt für haarige Situationen, in denen engelhaftes Zureden mit Inaus-sichtstellung saftiger Reisepreisminderungen selten weiterhilft.
Hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii there!, rief der Oberclown vergnügt, als sei nichts geschehen, der Menge zu, während die übrigen 27 Possenreißer mit den Händen ihre Bäuche fassten, als ob sie sich vor lauter Lachen kaum halten könnten. Are you happyyy- yyyyyyyyy? Kaltes Schweigen. Yeeeesssssssss, I can see it in your eyes, you are happyyyyyyyyyyyyyyy!, startete Pompilino rasch Versuch Nummer 2, Menschen von ihrer eigenen Lustigkeit zu überzeugen. Frostige Mimik. Ok, now we have got a special happy song for you. It's very easy. So the clowns sing it first, and then we sing all together. You're ready? Antarktische Eisestemperaturen. Spätes-tens hier hätte es wahre Könner nachdenklich stimmen sollen, doch routiniert un-beirrt erhielten seine witzigen Gesellen fingerschnipsend das Singsignal:
We love holidays,
We love sun,
We love cruisades,
Fun, fun, fun!
Climb up to the hills?
No, no, no!
A beach hotel that fills?
Never, never!
(nun folgt die ulimative Interaktion mit der zu bespaßenden Menge)
SO WHAT DO WE WANT?
HAVING FUN FOREVER!
Ok, my dear good friends, strahlte der Oberclown über sein ganzes geschmink-tes Gesicht, this is the song. And now we sing it all togetheeeeeeeeeeeeeerrrr!!!! One. Two. One, two, three, fo... -- Du, Papiiiii, diese Clowns sind ja voll doooof, sag ihnen, sie sollen gefälligst aufhören!, unterbrach ihn jäh eine freche Zehnjäh-rige lauthals. Ja, voll uncool, die sollen hier abhauen, denn ich habe trotz lecke- rem Frühstücksbüffet schon wieder Riesenhunger und will endlich zum Chinesen abdüsen! Auf meiner genialen App steht, dass es in der "China Town" heute für Familien überall billige "all you can eat Angebote" gibt. Boooaaaaaaahh ey...im "Nanking Dragon" können wir sogar g***e 70% sparen!, mischte sich ihr zwei Jahre ältere Bruder daraufhin nicht minder unverschämt ein - obwohl ihm dabei vom dauerginsenden Pompilino mit ständig komisch an seine Lippen gehaltenen Zeigefingern witzig angedeutet wurde, bitte jetzt um alles in der Welt mal gefäl- ligst die Klappe zu halten.
Bravo, mein Sohn! Je billiger desto besser, wir sind schließlich keine Lottomillio-näre!, klopfte ihm gleich sein Vater kumpelhaft auf die Schulter. Und von SOL-CHEN CLOWNS lässt du dir erst recht nichts gefallen! Deshalb gehst du jetzt mit Pia schnell nochmal ins Restaurant und schaust, ob von vorhin noch genügend Ei-er vorhanden sind!
Um das traute Familienglück perfekt zu machen, durften hierbei selbstverständlich auch mütterliche Ratschläge keinesfalls fehlen, und mit dem fürsorglichen, gutge-meinten, sozial orientierten Hinweis Leon! Pia! Nehmt vor allem noch andere Kin-der mit, gemeinsam könnt ihr doch viel mehr tragen! für den etwas längeren Fuß-weg bestens gestärkt, liefen beide folgsam los, zielstrebig dem Verköstigungstem- pel Happy Eating entgegen.
Als einige Zeit später 21, zu allem entschlosssen dreinschauende Kids mit lecke-ren Legeprodukten soviel ihre kleinen Hände fassen konnten sich wieder auf dem Rückweg befanden, schnappten sie schon von ferne einen ihnen vertraut vorkom-menden Wortfetzen auf, schmetterte doch der Chefbelustiger gerade zum elften Mal sein Kreuzfahrttouristen stimmungmäßig mitreißen sollendes togetheeeeeeee-eeeeeeeeeerrr!!! ins Publikum. Und sich daran wie gewohnt anschließende Toten-tille überbrachte den jetzt nicht mehr allzu weit entferten Heranwachsenden die frohe Kunde, dass sie zwischenzeitlich vom laufenden Bordanimationsprogramm zum Glück nicht viel versäumt hatten.
Look there, look there, the kids are back!, rief eine Neuseeländerin aufgeregt, welche von den Umstehenden die sehnsüchtig erwartete Kinderschar zuerst sah. Und kaum eingetroffen, begann das Team auch schon ohne Zögern mit dem arti-gen Verteilen kleiner aber feiner Mitbringsel vom Morgenbüffet.
Los, ihr albernen Deppen, hört mit diesem Gejaule auf und lasst die Tenderboote runter, sonst machen wir das!, gröhlte der bereits an anderer Stelle unrühmlich erwähnte Familienvater, während aus der kochend aufgeheizten Masse die ers-ten Hühnerprodukte zielsicher ihre Bestimmungsorte anflogen. Yes, now you can see it in our eyes: we are happyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyy!, spottete dazu sein griechischer Stehnachbar, und zur Demonstration abgrundtiefster Verachtung ge-genüber dem Happy-Team zeigte er diesem dazu mit herausgestreckter Zunge wedelnde Eselsohren. Allerspätestens hier gab es auf Deck 4 kein Halten mehr. Holaaaa, que passa aquí? Una revolución?, schrie eine Gruppe kolumbianischer Passagiere begeistert. Vom wild um sich greifenden Bordwiderstandsgeist spon-tan ergriffen, erfanden sie gleich kreative Variationen zum gerade zur Stärkung der Armmuskulatur erweiterten Fitnessangebotes. Fünf reaktionsschnelle Harlekine stürzten verweifelt herbei, wollten eingreifen, doch die tobende Menge versperrte ihnen den Weg. Daher konnten sie lediglich über johlende Köpfe hinweg hören, wie herbeigeschleppte Sonnenliegen, Restaurantstühle, ja sogar sperrige Bühnen- dekoration krachend auf dem Deckboden landeten. Rápido, rápido, la gasolina por las barricadas!, tönte da auch schon das Trainerkommando, und Joe Baker musste käsebleich mitansehen, wie im selben Augenblick die Clowntruppe ange- sichts brandgefährlich werdender Auftrittsbedingungen überstürztes Fliehen in al-le Richtungen bevorzugte.
Never again "Santa Teresa do Sul"!, fuhr Joe Baker der blanke Angstschweiß in den Nacken. Nein! Für keine Handvoll Dollars der Welt würde er freiwillig noch-mals Zeuge jener Art von Bildern werden, wie sie sich am 20. August 2005 im Amazonasgebiet tief ins Bewusstein eingebrannt hatten. Damals, 2 Kilometer vor Santa Teresa do Sul, als der von ihm geleitete Luxusreisebus infolge durch Protes-tierende errichtete brennende Straßenbarrikaden stoppen musste. Aus dem entste-henden Megastau gab es trotz bester Fahrerkünste kein Entrinnen, und weil un-glückerlichweise die Klimaanlage ausgefallen war, mussten sie drei Tage auf der Überlandstraße in tropischer Hitze ausharren, bis endlich Militärpolizei anrückte, welche den Feuerspuk rasch beendete. Seither wusste Joe Baker aus eigener Le-benserfahrung, wie unvermittelt in südamerikanischen Ländern gefährliche Lagen entstehen können, weshalb angesichts fieberhaft Benzin suchender Kolumbianer nur ein einziger, hämmernder, das Gehirn vor Schmerz fast betäubender Gedan-kenhagel seinen Kopf zermarterte: No second "Santa Teresa do Sul" on board! Koste es, was es wolle.
The bridge! Yes, I must enter the bridge! durchzuckten rasende Geistersblitz Joe Bakers panische Gedankenkonfusion. Yeah, God is good!, stieß er dankbar über diesen himmlischen Wink mit dem Zaunpfahl hervor und rannte los, beide Augen erleichtert emporgerichtet, als er neben Rettungsboot 24A unversehens mit Danny Brown zusammenstieß. Zu diesem Zeitpunkt war Danny Brown nur ein kleiner, un-bedeutender Reiseleiter, der sein Geld damit verdiente, indem er selbst noch während gerade laufender Austenderungsvorgänge möglichst viele Last Minute Interessenten für die anstehenden Landausflüge gewinnen sollte. Ein undankbarer Job auf Provisionsbasis, denn am 26. Oktober 2000 durfte Danny Brown wegen des extrem hohen Wellengangs keine realistischen Hoffnungen hegen, von Gott Neptun auch nur einen müden US-Dollar zu erhalten. So befand sich der Schnell-verkäufer traurigen Herzens auf dem Weg zurück ins Büro, um die unzähligen nicht mehr benötigten Buchungsformulare wieder ihrem angestammten Regalplatz zuzuführen, als es zur folgenschweren Karambolage kam.
The tendering order, Danny boy! The tendering order! I must give it right now, otherwise all is lost! The clowns...they're fleeing...Santa Teresa do Sul...don't you understand, Danny?, keuchte der Superstar mit gehetzter, tränenerstickter Stimm-lage. Obwohl Danny Brown von den dramatischen Bordvorgängen nichts mitbe-kommen hatte, ahnte er dennoch intuitiv, dass derart wirr sprudelnde Gedanken- gänge mit Sicherheit keine optimale Lösung bestehender Probleme darstellten und versuchte auf den Imperator mäßigend einzuwirken: Joe, great Caesar, for God's sake, don't do that! Can't you see the horrible waves around the ship? Every passenger is a bad sailor after having done the first step into the boat, and I swear to you: all of them will sue us for smart-money immediately. So better cal-ling Dick in Miami first!
Eigentlich wollte er noch flehentlich hinzufügen: Oh my God, Joe, you're a profi. You know all about people's mentality on cruisides looking for every little chance to become rich!, doch Mister Baker stürmte bereits mit rasender Geschwindigkeit dem Treppenaufstieg zur Brücke entgegen, enterte diese bravourös, stieß Deng, den chinesischen Ersten Offizier beiseite, riss gierig wie kurz vor dem Verdursten Stehende das Bordmikrofon an sich, drückte den Knopf für das nun überall auf dem Schiffskoloss grün aufleuchtende Hinweissignal READY FOR TENDER! und brüllte mit letzten Kräften zunächst TENDERING OUT NOW! TENDERING OUT NOW! sowie anschließend auf unüberhörbar texanisch gefärbtem Deutsch AUS--TÖNDÖÄRN! AUSTÖNDÖÄRN! ins Stimmenverstärkungssystem hinein. Danach brach Julius Cäsar unter unzähligen Erinnerungsstichen, die ihm schwerbewaffne- te Militärpolizisten, kreisende Hubschrauber, beißendes Tränengas, haarscharfe Steinwürfe, eindeutige Warnschüsse und zahllose Festnahmen heimtückisch zu-fügten, zusammen, worauf ihn, welch übler Witz der Geschichte, vier brasiliani- sche Offiziersanwärter schleunigst zum nahen Bordkrankenhaus tragen mussten. Mit einem markerschütternden NJET!!! NJET!!! hatte Kapitän Igor zwar pflichtbe-wusst noch versucht, die soeben in Gang gesetzten Austenderungsmechanismen unterbrechen zu können, bevor allerdings Joe Bakers Nervensystem endgültig kol-labierte, konnte dieser das Bordmikrophon rechtzeitig im letzten Augenblick mit gekonnten Bewegungen vor dem heranstürzenden Russen ins wellengepeitschte Meer in Sicherheit bringen. Ein wahrlich exzellenter Wurf, wie sich herausstellte, denn bis Deng endlich das Ersatzmikrophon einsatzbereit in der Hand hielt, war viel wertvolle Zeit verstrichen, ja, eigentlich zuviel Zeit, als dass Kapitän Igor den Kreuzfahrtdirektorbefehl zurücknehmen konnte ohne Gefahr zu laufen, dass da-raufhin unter dem Eindruck lodernder Sonnenliegen das gesamte Bordleben im revolutionären Chaos versinken würde.
Nach einigem Schwanken entschied er sich dennoch für die Erteilung der Ge-genorder und wollte seinen Ersten Offizier Deng gerade diesbezüglich anweisen, als ihm der malaysische Leitende Ingenieur Najib als einziger Vorgangsbefürwor-ter auf der Brücke beherzt in die Arme fiel und mit klug gewählten Worten Fol-gendes zu bedenken gab: Angesichts auf Deck 4 irrsinnig schnell um sich grei-fender lateinamerikanischer Verhältnisse sei es taktisch ungeschickt, so Najibs Argumentation, den bereits "offiziell getroffenen" Austenderungsbefehl postwen-dend wieder rückgängig zu machen, ansonsten stünde gleich das ganze Schiff in Flammen, sobald auch nur einem Kolumbianer die Benzinbeschaffung gelänge. Vielmehr solle man dem Aufstand wohlwollend passiv zusehen, denn im Fall ein-gehender Klagen könne der Schwarze Peter relativ leicht den Reiseveranstaltern in die Schuhe geschoben werden. Schließlich hätten weder Igor noch andere be-fehlsberechtigte Offiziere gehandelt, sondern ein stümperhafter, nicht beim Ree-der angestellter, unbefugter, skrupelloser Veranstaltungsmanager.
Najibs Rede bestach durch verblüffend simple Logik. Kaum war sie beendet, klat-schten alle Zuhörer stürmisch Beifall, und Theaterbesuchern gleichend begab sich die Brückenbesatzung erwartungsvoll zur der Yokohama Bay Bridge zugewand-ten Seite, um vom teuren Logenplatz aus das Tenderschauspiel zu verfolgen.
Einem militanten Minikern Kreuzfahrer, dem sich grob geschätzt 400 weitere Pas-sagiere spontan anschlossen, war es also auf diese Weise tatsächlich gelungen, eigentlich längst abgesagte Landausflüge unter rohem Gewalteinsatz doch noch zu erzwingen. Hastig strömten nun von überall mit Rucksäcken, Fotoausrüstungen und Taschen bepackte, unerschrockene, die Revolution enthusiastisch begrüßende Tagesausflügler krakehlend zum vorgesehenen Ausgang.
Puuuuuuuuuuuuhhh, sind das aber Wellen!, rief eine Frau, die mit zu den ersten Einsteigenden gehörte, ängstlich ihrem nachkommenden Verlobten entgegen. Da wird man ja richtig seekrank! Schatz, ich will sofort wieder raus! -- Genau, die junge Dame hat Recht, empörten sich zwei ältere Herren, welche trotz Gehstocks größte Mühe hatten, auf dem Sitz die Balance zu behalten, beipflichtend, das ist doch Wahnsinn, was sie hier mit uns anstellen! Schnell, alle zurück auf's rettende Schiff! Doch leider gehört es auch zum Tatsachenbereich, dass einmal erteilte, Menschenmassen in Bewegung setzende Befehle oft unumkehrbar sind. SIT ALL DOWN THERE! lautete daher die energisch ausfallende Reaktion eines vietname-sischen Crewmitgliedes. LOOK AT THE WAVES! OR YOU WANT TO DIE IN THE BAY OF TOKYO?
Genau in diesem Moment wurde das Beiboot von einer größeren Welle erfasst, schauriges Vorgeplänkel dessen, was circa 400 Revolutionären nach Ablegen vom Schiff noch bevorstehen sollte. Wie steil bergauf fahrende Achterbahnzüge emporgehoben, ging es nach Meisterung der Kuppe ohne Vorwarnung derma-ßen brutal abwärts, dass alle engstens aneinander gedrückt im Chor kreischten. Bei solch einem Vorgeschmack vermochten auch zwar aufmunternd gemeinte, in konkreten Extremsituationen aufgrund mangelnder lokaler Ortskenntnisse jedoch eher kontraproduktive Sprüche des aus Boliviens Bergwerksstadt Potosi stammen-den Bootslenkers Ramón keinerlei Heiterkeit zu verbreiten, als er lachend meinte: Don't worry, amigos. In Bolivia all mining workers say: In the tunnel, Jesus Christ protects to the statue of El dio de las minas, but after that: the devil.
Gerade eben wirklich nur äußerst haarscharf dem Untergang durch Kentern ent-ronnen, blieb - menschlich betrachtet verständlich - primär Ramóns letzte Englisch-vokabel als Wortfetzen im Gehörgang stecken. Und in Anbetracht ihrer gerade auszustehenden Höllenängste erschien es keineswegs verwunderlich, dass sie die sich vor ihrer heftig schwankenden Nussschale im Hintergrund über dem gebirg-sähnlichen Meeresspiegel auftuende Yokohama Bay Bridge gleichsam einer ge-waltigen Pforte realisierten. Bei deren Anblick glaubte nun jeder Tourist entsetzt, statt ins Hafengebiet führe ihn seine Fahrt als Todsünder unweigerlich in die Hölle hinein, weil er verblendet, verstockt, vermessen, stolz und hochmütig das Schick-sal herausgefordert hatte.
Unter den im Anschluss wartenden Folgependlern, welche die Vorgänge auf Ten-derboot 1 direkt miterleben konnten, kam umgehend panikartige Stimmung auf, als Ramón, einem gerissenen karibischen Freibeuter nicht unähnlich, mit Vollgas losbrauste, und sich jetzt Tenderboot 2 pfeilschnell der Anlegeplattform zielgenau näherte. Einer der ersten, die einsteigen mussten, war Signore Francesco di Au-gustini, Professor für Romanistik an der Pariser Sorbonne. Er hielt Lehrveranstal-tungen ausschließlich über Dante Alighieris La Commedia ab und galt Kollegen sowie Studenten als eher seltsamer Kauz, den keiner richtig ernstnahm, behaup-tete der Literaturwissenschaftler doch in Vorlesungen, Seminaren und auf Fachta-gungen, Dantes Gesänge beruhten, wie alle uns überlieferten alten Epen, an je-der einzelnen Versstelle auf realen Begebenheiten, welche sich zudem in regel-mäßig wiederkehrenden Abschnitten über die Epochen hinweg phänomenolo-gisch wiederholten.
Als junger Hippie 1969 auf der Suche nach Bewusstseinserweiterung zugedröhnt von einem indischen Ashram zum anderen tingelnd, ließ er sich dort von weisen Sadhus in der vom Hinduismus gelehrten Reinkarnationslehre unterweisen. Beflü-gelt von jener faszinierenden Idee, eventuell nach seinem zeitlichen Ableben als schillernder Krabbelkäfer auf einem Lotusblatt wiedergeboren zu werden, über-trug er 1988 in seiner damals als häretisch verurteilten Kölner Antrittsvorlesung Über die Lehre des praepostepischen Realismusgedankens derartige Glaubens-vorstellungen auf sämtliche altepischen Werke, verknüpfte sie mit Luthers Grund-satz sola scriptura und leitete aus dieser Kombination drei wissenschaftliche Pos-tulate ab, welche in etwa so lauten:
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Weder der überlieferte traditionelle Konsens der Fachdisziplin noch die Lehr-gewalt des Professorentums, sondern alleine das buchstabengetreue epische Wort können dem Leser, direkte, unverfälschte Zugänge zum Wirklichkeitsge- halt des jeweiligen Epostextes vermitteln. Vom Dichter beschriebene Ereig-nisse sind demzufolge in jedem Einzelvers als wortwörtliche Schilderung aut-hentischer Handlungsabäufe zu verstehen, welche als poetische Uroffenba-rung bezeichnet werden.
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Wie wir auf irgendeine Art und Weise in diese Welt "hineinentstanden", un-terliegen sämtliche Uroffenbarungsprotagonisten, selbst Götter, ebenfalls dem ewigen kosmischen Kreislauf von Werden und Vergehen, weshalb im Epos auftetende Haupt- und Nebendarsteller allesamt nach Handlungsschluss wie-dergeboren werden und die Geschehnisse in exakt derselben Figurenkonstel- lation von Neuem beginnen. Während Akteure bzw. Orte dabei den Jahr-hunderten angepasst lediglich ihre Erscheinungsformen verändern, bleibt der Grundablauf des Epos als Wesenskern davon unberührt.
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Als in hinduistische Mysterien Eingeweihte verpflichten sich Anhänger mit An-nehmen der Lehre per heiligem Eid vor einer Statue von Brahma, Vishnu und Shiwa auf die ethische Maxime, beim Erkennen vor ihren Augen gerade ab-laufender, für ahnungslose Durchschnittsbürger gefährlich werden könnender epischer Reinkarnationsszenen unter Einsatz aller zu Gebote stehenden Mit-tel Schaden von den bedauernswerten Unwissenden abzuwenden.
Als Signore di Augustini nun sah, wie Tenderboot 2 mit rasanter Fahrt auf sie zu-steuerte und Patrick, der stets um zügigen Einstieg bemühte irische Lenker, dabei Hurry up, hurry up! schrie, erblasste sein bärtiges Professorenesicht, denn er ver-stand jenen grässlichen Zuruf aus Canto VIII, 18: Or se' giunta, anima fella! Nein, diese Tenderfahrten würde keinen der umstehenden Ahnungslosen je nach Yokohama tranportieren. Bei Gott: Niemals würde man Yokohamas Fährterminal erreichen, denn Dis war das eigentliche Ziel ihrer Bestimmung, jene vom Höllen-feuer glutrot leuchtende Stadt auf der anderen Seite des toten Sumpfes!
Tenderboot 1 war unwiderbinglich verloren. Für doch für die restlichen sieben be-stand Hoffnung, wenn jetzt wahrlich mannhaft gehandelt würde. Mit ausgebrei- teten Armen, mit denen die Mitreisenden irgendwie vor Patrick Schutz finden sol-lten, schrie er diesem tapfer Canto VIII, 19 entgegen: Flegias, Flegias, tu gridi a voto. Zu spät. Aus der hinter ihm unablässig drängelnden Menge erhielt Signore di Augustini einen unbeabsichtigten Stoß, sodass sich unser heldenhafter Roma-nist unversehens mit 53 anderen Tagesausflüglern im gerade festmachenden Pen-delschiffchen wiederfand. Und das, was er gelangweilt gähnenden Studenten als historische Fakten lehrte, erschien nun tatsächlich als detailgetreue Wirklichkeit, weil es in Canto VIII, 67-69 heißt:
Lo buon maestro disse: Omai, figliuolo,
s' appressa la città c' ha nome Dite,
coi gravi cittadin, col grande stuolo.
Tja, liebe Kreuzfahrtteilnehmer in spe, von dieser Höllenfahrt gab es keine Reise-rücktrittsmöglichkeit. Phlegyas sowie nach ihm alle anderen Fährleute vertrauten nämlich Südamerikas abgebrühtestem Kahnlenker, der achtmal Kap Horn im Ab-stand von 1700 Metern ohne Neoprenanzug umschwommen hatte und bibbern-de Landratten nur höhnische verachtete, bedingungslos, während er das zuguns-ten optimaler Urlaubsfotos rundum offen gebaute Beförderungsmittel mit heraus-holbarer Maxigeschwindigkeit Welle um Welle vom Mutterschiff fortsteuerte. So schaukelte bald darauf eine Streichholzschachteln gleichende Bootsperlenschnur unter mühsamer Bewältigung extremster Höhenunterschiede auf und ab und ab und auf und von links nach rechts und von rechts nach links durch gischtgekrönte, weiß schäumende Wogen dem Eingang zum Herrschaftsbereich von Gottes fins-terem Gegenspieler entgegen.
Dramatische, unbeschreibliche Szenen spielten sich ab. Das ist unser aller Ende, prophezeite jemand voller Verzeiflung, wir fahren in unseren eigenen Särgen! -- AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!, zeriss daraufhin infernalisches Brüllen die vom Taifunausläufer getriebenen, pfeifenden Windmas-sen. Als Ramóns zusammenfahrende Anvertraute ihre Köpfe herumrissen, blickten zwei am Heck sitzende 17 jährige Mädchen mit zu hässlich verzerrten Fratzen erstarrten Gesichtszügen auf das Menschen verschlingen wollende Wasser. Bei-den hatte gerade Gevatter Tod einen üblen Streich gespielt, als er plötzlich aus den unergründlichen Tiefen der Bay of Tokyo, ihnen dabei hämisch zugrinsend, emporzutauchen schien. Plötzlich jedoch wurde der Blick bitterböse, und kurz vor Erreichen der Wasserlinie hielt das Totengerippe den auf dem Schulhof stets auf-gestylt umherstolzierenden Oberstufenköniginnen, Demütigerinnen ungezählter Jungenherzen, mit einer Hand die rieselnde Sanduhr entgegen. Mit der anderen hingegen holte es ohne jede Vorwarnung aus, und drei Zentimeter vor ihren bild-hübschen Gesichtern zerschnitt rasiermesserscharfer Stahl die Luft: NEEEEEEEEE-EEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNN!!!!!!!!!!!! BITTE, BITTE NIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII-CCCHHHHHHHTTTTTTTTTTTTT!!!!!!!!!!!!!, bettelten die Cheerleaderinnen fest um-schlungen verzweifelt um ihr junges Leben. Doch da schnellte das Erntegerät be-reits peitschenartig knallend wieder ins Wasser, und mit dem Ausruf Ich wünsche euch noch eine schöne Kreuzfahrt, Mädels! tauchte der Sensenmann, so mysteri-ös wie er gekommen war, auf den Grund des Buchtareals zurück.
Angesichts zweier mit dem Tod feilschenden Jugendlichen verkrallte sich die jun-ge Verlobte in den bergenden Schoß ihres Liebsten. Du, Putzelihaseli, ist es jetzt soweit? Sterben wir nun?, fragte sie ängstlich. Florian wollte antworten, doch der Pazifische Ozean kam ihm dabei zuvor, als er, der seine Jennymaus über alles liebte, just in dieser Sekunde von einer auftreffenden Bugwelle mehrere Liter salzi- ger Brühe ins Gesicht geschüttet bekam. Und während Putzelihaseli ungenießba-res Nass spuckte sowie hustend nach Luft japste, deuteten manche Bibelfeste sol-che Bilder als klare Bewahrheitung von Mt. 25,13, wo Jesus seinen Jüngern er-klärt: Wachet also, denn ihr wißt weder den Tag noch die Stunde!; schien offen- sichtlich doch der Allmächtige selbst in dieser Situation bestimmte Fragestellun-gen nicht zu dulden. Zuversicht kam auf.
In der Tat: Während Piratenchef Ramón ohne jegliche emotionale Regung als ers-ter fest auf das Höllentor zuhielt, verbreitete sich bei den vollkommen verstörten, im Gesicht grüngefärbten, durchnässten, triefenden Insassen die physikalische Er-kenntnis, dass sie nach Erreichen des geschützten Hafenbeckenn wegen dort zu erwartenden anders gelagerten Kräftewirkungen logischerweise bald von wohltu- endreen Wellen freundlich mit Konnichi-wa! begrüßt würden.
Innerlich felsenfest davon überzeugt, das Schlimmste sei überstanden, blickten 43 Gezeichnete hoffnungsfroh auf ... da tat des Bolivianers schaukelnder Fingerhut zwei heftige Ruckbewegungen. Yokohamas berüchtigte, von allen Hafenmeistern gefürchtete Beckenzirkulationsströmung hatte zugeschlagen. Dieses Begleitphäno-men Richtung Landesinnere ziehender Taifune (bzw. deren Ausläufer) ensteht im Zusammenhang mit dann stark veränderten Strömungsbedingungen in der Bay of Tokyo, hervorgerufen durch vom Pazifik unaufhörlich hineingepresste Wassermas- sen. Unter immensen Druckverhältnissen bildet sich ein von der versus Tokio flie-ßenden Hauptströmung unabhängiger Arm, welcher als eigenständige Strömung Yokohamas Hafeninnere erfasst und dort im Becken aufgrund mangelnder Ab-flusskapazitäten kreisförmig rotiert. Die starken Rotationskräfte bergen für kleinere Wasserfahrzeuge erhebliche Gefahren, kein Verantwortlicher käm jemals auf die wahnwitzige Idee, bei auftretenden Beckenzirkulationsströmungen auch nur einer einzigen Barkasse Ein- oder Ausfahrten zu gestatten.
Exakt jene wirkende Naturgewalt bekamen nun aber alle acht Tenderboote mit voller Wucht zu spüren. Boliviens nautischer Draufgänger dachte nämlich über-haupt nicht daran, sich vom Kapitän jenes Hafenschiffes, welches man verweifelt den Verrückten entgegengeschickt hatte, Vorschriften machen zu lassen. Vielmehr beantwortete er Aufforderungen nach sofortiger Umkehr lieber folgendermaßen: I've taken my orders directly from the glorious Julius Caesar. So beat it, nobody! Doch Ramóns Repertoire für solche Fälle bestand aus mehr als markiges Sprüche-klopfen, denn obwohl ja bereits mit machbarem Höchsttempo fahrend, röhrte da-zu, begleitet von einem eindeutigen Schuss mit der Leuchtpistole in die Luft, der Motor dermaßen bekräftigend laut auf, dass Tenderboot 2 von dichten Auspuff- schwaden eingehüllt wurde. Nachdem sich die dunklen Schleier endlich gelüftet hatten, erwartete 52 Rußgestalten Grauenvolles. Auf dem Sitzplatz kauerte Sig-nore di Augustini, beide Knie angehoben, und starren Blickes malträtierte er mit klappernden Zähnen hungrig sämtliche Fingerkuppen, aber, oh, welch Albtraum, ohne den beißenden Schmerz im Geringsten zu spüren. Warum auch? Denn was konnte ihm jetzt noch menschliche Gefühle vermitteln, egal ob Freude, Kummer, Glück oder Qual, glaubte der Gelehrte doch vorhin trotz Dieseldunstes am eiser-nen Brückengebilde hoch über ihnen Dantes ermutigende Torinschrift, Canto III, 9 deutlich gelesen zu haben: LASCIATE OGNI SPERANZA, VOI CH' ENTRATE. Was? Was? Was?
Vom starken Sog unentrinnbar gepackt wurde also jetzt ein Pendelboot nach dem anderen wie von unsichtbaren, unheimlichen Händen ins Hafeninnere hineinge-zogen, wo sie das beschriebene Rotationsphänomen zum hilflosen Befahren gro-ßer kreisförmiger Bahnen nötigte. Selbst Ramón, dem alten Haudegen aus Potosi, gelang es angesichts solcher Kräfte nicht, mit einem seiner kühnen, waghalsigen Tricks den Teufelskreis zu durchbrechen. So drehte die Bootsperlenkette insgesamt 87, letzte vorhandene Ressourcen auffressende Runden, bis etwa 400 hochgra-dig Wassergestörte gegen 15.30 Uhr endlich Japans Boden unter den Füßen spürten. Einzig und allein der Universitätsdozent verweigerte aus gutem Grund beharrlich das Aussteigen. Er zog es beim Vernehmen des ihnen zur Vermeidung weiterer Zeitverluste rauh zugeworfenen Rufes Davai, davai, get out of the boat, terminal entry is right over there! vor, auf seiner sich am Pier Gott sei Dank nur noch sanft bewegenden harten Sitzbank lieber Finger beißend die Rückkehr aller übrigen aus den Pendelbooten torkelnden Landgänger abzuwarten statt törichter-weise immer tiefer ins höllische Inferno hinunterzusteigen. Ein klug gefasster Ent-schluss, professore, denn Canto VIII, 79-81 besingt ja bekanntlich, wie Vergil und Dante, nach langer Ruderfahrt endlich in Dis angekommen, dort vom Fährmann barschen Tones der Weiterweg angezeigt wird; und ernsthaft, wer möchte seine Hände dafür ins Feuer legen, am 26. Oktober 2000 hätte das zum zügigen Ver-lassen mahnende italienische Crewmitglied nicht dieselben Worte gefaucht:
Non sanza prima far grande aggirata,
venimmo in parte dove il nocchier forte
Usciteci gridò: qui è l'entrata.
Doch selbst wenn dem nicht so gewesen sein sollte ... Dantes Experte hätte kaum Nenneswertes versäumt, denn ausgelassene touristische Aufbruchsstimmung sieht erfahrungsgemäß anders aus. Statt am Fährterminal auf längst abfahrbereite Bus-se zueilende Menschenströme, schleppte sich unter den Augen verwunderter Ja-paner ein müder Pulk seekranker, halbtoter Jammerfiguren schnurstracks Yokoha-mas Corniche entgegen. Niemandem war mehr nach neuerlichen Einsteigeproze-duren zumute, alle hatten nur noch einen einzigen brennenden Herzenswunsch: irgendwo entlang der Promenade in Ruhe gelassen zu werden.
Lediglich der freche Knirps samt vorlauter Schwester dachte trotz Magenkrämp-fen und Brechattacken im Traum nicht ans vorschnelle Aufgeben, nein, niemals wollte das Geschwisterpaar nach erlittener Tortur auf Yokohamas China Town gänzlich verzichten. Leon hatte nämlich kurz vor Ferienbeginn als zukünftiger Kreuzfahrer neidischen Mitschülern, ja, sogar missgünstigen Lehrern gegenüber angeberisch geprahlt, ER werde das markante Eingangstor selbst ohne spätere Bildbearbeitungen 100.000 Mal bunter fotografieren als es im Reiseführer oder auf Webseiten abgebildet sei. Und weil jenes Zielobjekt zufällig nur 30 Meter entfernt lag, durften sie mit ihren Brechtüten in der Hand, welche zuvorkommend denkende Verkäufer eines Pommes Frites Wagens höflicherweise gleich für die ungefähr 400 anwankenden Fremden aus dem nahen Vorratslager holen ließen, kurz gemeinsam dorthin gehen. Ach, du armer, armer Leon! Infolge gravierender Zeitverluste entsprach der aktuelle Sonnenstand kaum noch dessen anspruchsvol-len Erwartungen als baldiger Instagram-Trendsetter aus dem Rhein-Main Gebiet, was auch seine auserkorene Managerin Pia missmutig erkannte: Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott! Leon! In der Klasse werden sie dich für immer aus-lachen! Du bist voll blamiert, Leon! Und peinlich! Oh mein Gott, oh mein Gott, oh ein Gott! Alle auf dem Leibniz Gymnasium wissen doch, dass ich dummer-weise deine Schwester bin! Such dir bitte sofort eine neue Schule, Leon!
Um seinem Schwesterherzchen eindrucksvoll zu demonstrieren, dass sie keinen Verlierertyp als Bruder hatte, drehte sich der Herr Siebtklässler zur Corniche um, zeigte mit müdem Arm auf die irgendwo hinter Yokohamas Bay Bridge ankernde Having Fun Forever und zischte rachedurstig (obwohl Leon Superstar vor Bauch-schmerzen kaum aufrecht stehen konnte): Du, ich schwör's, dir, Pia, das wird Joe mir büßen! Ja, ich schwör's dir! Und megastolz über ihren endlich wieder coolen Internetstar, dem die Zukunft gehörte, ermutigte ihn das Mädchen auf seinem stei-len Karriereweg: Super, Leon, los, mach ihn fertig! Ich hasse Joe für das, was er Mama, Papa und dir angetan hat!!!!
Mit solchen Plänen im Kopf schleppte sich das Geschwisterpaar jene 30 Meter sterbenselend wieder zur Uferpromenade zurück, wo aufgrund fortgeschrittener Tageszeit (es war bereits 17.15 Uhr) mehrere Bootsführer mit ohrenbetäubendem Megafonkrach unerbittlich planmäßiges Wiedereinsteigen forderten. Ohje, ohje! Wie gerne hätten alle jetzt viel lieber in Yokohama übernachtet und nach ent-spannendem Badegenuss im kuscheligen Hotelbett auf Veranstalterkosten Erho-lung vom strapaziösen Reisetag gefunden, aber die Antreiber zeigten keinerlei Mitgefühl. Vielmehr hallte es als Antwort aus ihren Sprechgeräten unwirsch die Corniche entlang: OK FOLKS. THERE'S NO TIME FOR SILLY JOKES. YOU HAVE EXACTLY TWO POSSIBILITIES RIGHT NOW: ENTERING THE BOAT OR STAY HERE! Da fiel keinem das richtige Auswählen schwer, und professionell wurden die armen Teufel wieder auf jenes Wasser gejagt, über das sie einst angetendert kamen, bis zum erlösenden Anlegen am Kreuzfahrtschiff jede Sekunde den stets eine Handbreit unter ihren Pendelbooten mitschwimmenden Tod vor Augen. Der einzige in ihren späteren Reiseerinnerungen positiv aufleuchtende Unterschied im Vergleich zur Hinfahrt bestand darin, dass sie Dank schwächer gewordener Bec-kenzirkulationsströmungsverhältnisse diesmal zum Durchfahren des Höllentores le-diglich 55 Ehrenrunden benötigten.
Als man die Tagesausflüger endlich peu à peu an der Having Fun Forever auslud, wurden alle Ausflugsrückkehrer von fassungslos ihre Hände an den Mund pres-senden Zurückgebliebenen längst sehnsüchtigst erwartet, allen voran Joe Baker, dem es Jesus! stammelnd wie Schuppen von den Augen fiel, auf was für ein Him-melfahrtskommando er am Vormittag die gierigen Erlebnishungrigen geschickt hatte. Da war es auch kein richtiger Trost mehr, dass niemand unterwegs von der gefräßigen Tokio-Bucht verschluckt worden war, denn als sich Leon und Pia unter Krämpfen windend an seinen Gesichtsausdrücken vorbeischleppten fuhr ihn der Bub, bevor er zur Reeling sprang, um sich zum inzwischen ungezählten Male zu übergeben, mit letztem Aufbäumen an: Joe!!! For these thing will my father you behind swedish gardines bring! Fünftklässlerin Pia krönte sogar noch seine Dro-hung mit fremsprachlich ebenso talentierten Worten Oooooohh yes, Joe. Therefor will you in Sweden bepay!!!!, bevor sie mit ihren Eltern schleunigst Leons vorge-gebener Richtung folgte.
Danny Brown, der neben Joe Baker stand und diese dreisten Kinderbemerkungen mitanhörte, klopfte dem abstürzenden Kometen leutselig auf dessen Schultern und sprach mitleidig: Don't worry, Julius, just kids. However, but you know the rules, and Sing from Mumbai is waitng for you in the dry cleaners. I'm sure that you'll do a great job at the flat-machine. Bye, Joe. Resignierend senkte der sterbende Imperator den Kopf, und so als ob er sich von der ganzen Welt verraten fühlte erklangen abschließend leise hauchend jene berühmten Worte aus William Sha-kespaers Drama Julius Caeser, III,1: Et tu, Brute?, woraufhin sein Adoptivsohn, ebenfalls im Text bewandert, zitierte: Than fall, Caesar!
Und seit diesem Tag wird alljährlich am 26. Oktober vom Stadtmagistrat eine Pe-tition beim Regierungsparlament eingereicht mit der Bitte um wohlwollende politi-sche Prüfung, ob Shogun Tokugawa Japan 1603 eventuell doch nicht ganz zu Unrecht vom Rest der Welt abgeschottet hätte, denn Touristenauftritte solcher Art werde man in Yokohama kein zweites Mal hinnehmen.
Wie aber ging es auf der Having Fun Forever weiter?
Obgleich in grottosbadem Schulenglisch vorgetragen, hatte Brutus als Mutterspra-chler die sich zwischen den Zeilen befindliche Kernbotschaft deutlich herausge-hört, weshalb er pflichtbewusst umgehend der allerhöchsten Bordinstanz darüber Meldung machte. Reaktionsschnell leitete Kapitän Igor deren hochbrisasnten In-halt wiederum an Dick Springletown in Miami weiter, welcher sofort den für sol-che Fälle vorgesehenen Krisenstab tagen ließ.
Um jene bedenkliche Eventualitäten, welche von Najib, dem Leitenden Ingenieur aus Kuala Lumpur, auf der Brücke genannt worden war, gleich kategorisch auszu-schließen, beschloss man auf Anraten versierter Anwälte, die Having Fun Forever nach erfolgreich beendeter Umrundung Japans unter dem Vorwand dringender Reparaturarbeiten erneut aus Fukuoka auslaufen zu lassen. Als die letzten Passa-giere dort frühmorgens von Bord gegangen waren, schickte man sie am Mittag noch Volldampf voraus nach Usubalkusafulien, jenem damals wohl gefährlichsten Krisenherd weltweit, wo infolge höherer Gewalt verschwundene potentielle Spu-ren etwaigen Klagen keine Angriffsflächen bieten sollten.
Im Werftarbeiten günstiger als Papenburg anbieten könnenden Atlantikhafen Port Belike kaum eingelaufen, machte sich Danny Brown, perfekt getarnt als einfacher Schiffsarbeiter, auch schon eifrig ans Werk und begann zuverlässig mit dem Aus-führen jenes ihm auf Dick Springletowns Luxusyacht zwischen Miami und den Ba-hamas übertragenen Spezialauftrags. Mit Pinsel und Leuchtfarbe gut ausgestattet übertünchte er flink den ruhmvollen Schiffsnamen, um ihn durch einen glorreiche-ren zu ersetzen: D A L I B A L U. Drei Tage später erreichten im bürgerkriegsge-schüttelten Land operierende Söldner beim Vormarsch auf das Präsidentenpalais Port Belike, und als ihr Anführer den in gewaltigen Lettern glänzenden Schrifftzug erspähte, sprach er freudig: Stopp, Jungs! Schaut euch mal den Pott dort an. Irre ich mich, oder ist das nicht das Privatschiff dieses dekadenten, Zigarre rauchen-den Fettsacks? -- Klar, Heiner, du hast Recht! Hahahahaha, aber verlass dich da-rauf, nicht mehr lange!, kam von seinen wackeren Mannen wie aus einem Mund die Antwort, woraufhin innerhalb weniger Minuten der Abendhimmel nicht nur im orangefarbenen Sonnenuntergangslicht über dem Ozean erstrahlte.
Somit vollendete im Hafen von Port Belike Kommandant Heiners bunt zusammen- gewürfelter Landsknechtshaufen, was Bewohnern Bogotás an Bord vor Yokohama nicht vergönnt war. Zwei Stunden lang brannte das Präsidentenschiff DALIBALU lichterloh, bis mehrere schwere Explosionen den internationalen Branchenstolz schließlich unter dem Gejohle sich dabei zuprostender Kämpfer in die Luft fliegen ließen. Mit ihren Trümmern versanken außerdem sämtliche für Richter bei ange-setzten Ortsterminen eventuell verwertbare juristische Anhaltspunkte, weshalb tat-sächlich alle eingehenden Klagen aufgrund eines bedauerlicherweise durch vor-rückende, 62%ig whiskeybenebelte Rebellen vernichteten eindeutigen Beweisob-jektes abgewiesen wurden; wie es jemand auf der Brücke präzise orakelt hatte.

Nach diesem zugegebenemaßen am Ende wesentlich länger als ursprünglich ge-plant ausgefallenen Einschub schweift unser Blick von Nippon wieder hinüber zu den Vereinigten Staaten, und durch ihn ist es für Sie, liebe treue Seitenbesucher, nun sicherlich viel nachvollziehbarer geworden, welche ungeheure Brisanz jenem künstlerisch erwähnten Artikel III zugunde liegt. Nur wenn man die dramtischen, Herzen rührenden Ereignisse, welche sich im Oktober 2000 vor sowie in Yoko-hama zutrugen, in ihrem ganzen schonungslosen Ausmaß Revue passieren lässt, ist zumindest ansatzweise erahnbar, warum Danny Brown an den zum Bestaunen vom Colorado River gnädigerweise übriggelassenen Steilabhängen des Grand Canyon alles, wir Karussellpferde betonen: alles, tat, um niemals Joe Bakers Los teilen zu müssen; war Brutus doch nach Caesars jähem Ende von dem in jenem marktbehrrschenden Konzern, für den beide arbeiteten, zuständigen obersten Ko-ordinationsamanager im Bereich Kreuzfahrten/Überlandbusreisen Dick Springle-town, auf oben genannter Yacht mit allen Champagner-, Hummer- und Kaviareh- ren empfangen worden. Verlässliche Crewmitglieder konnten nämlich bestätigen, dass der 26. Oktober 2000 angenehmer verlaufen wäre, wenn, tja, wenn Julius Brutus' mahnenden Worten etwas mehr Beachtung geschenkt hätte. So wurden sie im Vorstand auf Danny Browns außergewöhnliche Fähigkeiten bei unerwartet eintretenden, unerfreulichen Situationen aufmerksam, und auf dieser Minikreuz-fahrt, zu der Dick Springletown normalerweise nur Vorstandsmitglieder sowie al-te Schulfreunde einlud, wurde der Last Minute Schnellverkäufer etwa 10 Seemei-len östlich Miamis zum Nachfolger Caesars ausgerufen.
Octavian, der das Attentat selbst miterlebt hatte, wusste allerdings durch dieses nun aus persönlicher Anschauung, wie in Haifischbecken hart erkämpfte Posten wieder verloren gehen. Welchen honoren Treueeidleister auf der Big Deal Lady 1 verwunderte es daher dass, Danny Brown den angetragenen loorbeerbekränzten Ehrentitel Augustus nur unter bestimmten Bedingungen anzunehmen gedachte: Er bäte sich aus, auch weiterhin seiner gewohnten Tätigkeit als kleiner, unbedeuten-der Reiseleiter nachgehen zu dürfen, wenn möglich allerdings fortan auf den be-gehrten großen Rundreisen in vollklimatisierten modernen Komfortbussen. Seinem Herzensanliegen wurde applaudierend entsprochen, und als die Jubelrufe Hail to you, greatest and best Caesar! auf des Atlantiks unendlichen Weiten verklungen waren, beschloss das illustre Völkchen, zudem auf dem nächsten internationalen Branchenkongress jenen einst erfolglos ausgesprochenen Tipp zum allgemeinen Gesetz zu erheben. Und wie hätte Caesar Augustus als Feldherr auf dem Bus-parkplatz in Arizona gegen geltende Kriegsbestimmungen versoßen können, die auf eigenen Eingreifmut zurückgingen?
Wie, fragen wir Karussellpferde daher mit ernsthafter Miene, könnten seriöse Kri-tiker nach den dankbarerweise von der Künstlerin nachträglich eingefügten erklä-renden Erläuterungen jetzt noch weiterhin ernsthaft argwöhnen, es handele sich bei den beanstandeten Passagen um irgendwelche zweitklassige literarische Ab-scheifungen ohne Sinn, allein aus dem Zweck geboren, dem Publikum überhaupt etwas anbieten zu können? Sind Sie nach allem, was Ihnen hier detailliert über den schrecklichen 26. Oktober 2000 an Wissen zugetragen wurde, wirklich wei-terhin felsenfest davon überzeugt, Alessa Marie gehe es um das Füllen leerer Flä-chen, wenn sie jene dramatischen Augenblicke beschreibt, wie Danny Brown mit seinem Diensthandy am Ohr hektisch auf und ab gehend eine aus seiner Sicht ohne eigenes Verschulden irregulär eingetretene Situation zur Sicherung seines Throns es gemäß Artikel III buchstabengetreu abzuwickeln? Kannte er doch jenes eherne machtpolitische Gesetz nur zu genau, welches besagt, dass man sich als Imperator dem loyalen Wohlwollen der Prätorianergarde nie gänzlich sicher sein darf - unter gar keinen Umständen! Ja, Augustus wusste instinktiv, wie bereits die nächsten Kaiseranwärter auf ihren Startpostitionen mit den Hufen scharrten, DEN Fehler herbeilechzend, weshalb bange Unsicherheit Danny Brown umhertrieb, ob denn nun Dick Springletown jene von ihm als "irregulär" klassifizierte Situation (inclusive präferierte Lösungsmaßnahme "vorzeitiges Heimschicken" besagter un-angenehm auffallender Touristin samt Familie) genauso "außerordentlich" einstu-fen sowie anschließend dreimal bestätigen werde
Weil aber Danny Brown vor lauter Diensteifer während des Telefonats mit Miami beim schnellen auf und Ab gehen sowie dabei wild mit dem freien Arm hin und her gestikulierend immer mehr die stark schwindelig machenden Rotationsbewe-gungen von Yokohamas Beckenzirkulationsströmung imitierte, entging ihm völlig, dass sich einer seiner Touristen ebenfalls von den anderen absonderte und ver-stohlen zum hinteren Busteil schlich. Dort angelangt öffnete dieser unter vorsichti- gem Blick Richtung eines glücklicherweise derzeit sehr rotierenden Reiseleiters La-deklappe H, zog ihren schweren Koffer heraus, entnahm ihm diverse Utensilien, und ein jetzt zufällig dorthin schauender Danny Brown hätte sicherlich gedacht, ein Reisender wolle im letzten Moment noch passenderes Schuhwerk für die be-vorstehende anstrengende Wanderung zu den Stromleitungen (beziehungsweise zur Canyonbrücke) anziehen.
Aber gerade weil Danny Brown, im Kreis gefangen, vor lauter dienstlicher Erge-benheit während des Telefonats immer noch schnellen Schrittes sowie dabei wild mit dem freien Arm hin und her fuchtelnd wie ein aufgescheuchtes Huhn umher-eilte, entging ihm ferner, dass jener Tourist anstatt perfekt sitzender Wanderstiefel vielmehr altertümliche Kleidungsstücke im etwa um 1560 in Europa vorherrschen-den Stil angezogen hatte und mit einem zur damaligen Mode passenden ange-klebten langen Spitzenart zurückkkehrte
Hey, was soll das? Lassen Sie mich gefälligst los!, störte plötzlich empörtes Rufen Danny Brown im Ziehen seiner beckenzirkulationsströmungsförmigartigen Kreis-bahnen, der daraufhin kurz anhielt und zum Luxusreisebus schaute. Anschließend setzte er in immer hektischerer Aufregung seine Runden weiter fort, unterbrochen durch regelmäßig eingelegte Zwischenstopps, um Dick Springletown mittels thea-tralischer Armbewegungen, kombiniert mit noch dramatischer wirkenden Finger-zeigen auf die Vordertür eine Erlaubnisertreilung abringen zu können.
Zwischenzeitlich hatte nämlich die lutherische Reformatorin eher unfreiwillig ihren Kanzelplatz räumen müssen. Über ihren Zuhörern ragte stattdessen nun der Kopf jener historisch gekleideten Person hervor. Mit funkelnden Augen, todernstem Ge-sichtsausdruck sowie Augustus bei weitem übertreffenden Armgestikulationen be-gann sie, sehr zum Unwillen des Imperators selber rhetorisch tätig zu werden. Da aber Joe Bakers lorbeerbekränztem Nachfolger noch kein grünes Singallicht aus Florida entgegenleuchtete (ganz abgesehen von den drei anschließend erforderli-chen zermürbenden bittstellerischen Rückversicherungsgesuchen) konnte er dem-nach weder aktiv ins Geschehen eingreifen noch andersweitig tatkräftig reagie-ren. So blieb Danny Brown nichts anderes übrig, als sich weiterhin geduldig mit Unterbrechungen kreisförmig drehend anzuhören, was der neue Redner an wich-tigen Dingen dem Volk entgegenrief.
Ooohh, du sündhaftes, verderbtes Menschengeschlecht, dreimal WEHE DIR!, ließ eine Stimme, messerscharf wie frisch geschliffene Schwerter, die ohnehin durch düstere vulkanologische und seismologische Prognosen der Vorrednerin kurz vor einer Panik stehenden Reisegruppe noch mehr vor Angst zusammenfahren. Sag! Sprich! Rede zu mir! Wie lange noch willst du deine verblendeten, verkommenen Augen von dem gerechten Strafgericht unseres geliebten Herrn abwenden, wel-ches doch schon längst über dich gekommen ist?
Sind hier alle taub oder hört bloß keiner aus Costa Rica das dumpfe Rumoren im Rincón de la Vieja bis hierher nach Arizona dringen? Los, heraus mit der Spra-che, ihr erbärmlichen Sünder, spürt niemand unter seinen sterblichen Füßen ent-setzliches Knirschen aneinander reibender, sich grausam ineinander verhakender Erdplatten? Oder tut ihr alle nur so dumm? Genau, auch DICH meine ich, kleines vorwitziges Lausemädchen! Kannst du bereits diese unerträglichen tektonischen Spannungen, welche sich längst tief unten im Gestein aufgebaut haben, ringshe-rum in der vibireenden Luft fühlen? Ja, es ist eure widerliche Reisegier, die euch inzwischen so verstockt, dass eure stets auf sensationelle Fotomotive schielenden verdorbenen Augen, PFUI ÜBER SIE!, selbst einfachste Zeichen des berechtigten Zornes Gottes nicht mehr richtig erkennen.
Nach diesen Worten legte die historisch gekleidete Person eine kurze Pause ein, zog unter dem Gewand ein dickes Buch hervor, blätterte eifrig darin und setzte dann das Predigen fort, nachdem sie ihre bis ins Mark erschütterte Zuhörerschaft tadelnd angeschaut hatte. Blinde Toren!!! Narren!!! Versteht ihr beim Anblick der angeschwollen Fluten des Colorado River noch immer nicht, was Moses uns sagt, wenn er selbst in 1 Moses 6,5f. spricht: Der Herr sah, wie groß die menschliche Bosheit asuf Erden war, und daß jegliches Gebilde ihrer Herzensgedanken allzeit nur böse war. Es reute ihn, den Menschen gemacht zu haben auf Erden, und er bekam Kummer in seinem Herzen. Und weiter lese ich entsetzt in Vers 7 ... auch der aufgeregte Zappelphilipp dahinten mit dem Handy am Ohr hört jetzt gut zu: Der Herr sprach: "Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, vom Erdbo-den vertilgen, vom Menschen bis zum Vieh und zum Kriechtier und zu den Him-melsvöglen. Denn es reut mich, sie gemacht zu haben."
Ja, Herr, es reicht dir nun endgültig mit der Sünde, das Maß ist voll! Ja, Herr, das musst du dir wirklich nicht länger bieten lassen! Und deshalb geschieht direkt vor euren lasterhaften Augen jetzt genau das, wozu sich Gott in unendlicher Enttäu-schung über die böse Menschheit vor langer Zeit schon einmal entschloss. Ich le-se weiter in 1 Moses 7,19f.: Und die Wasser nahmen immer mehr zu; alle ho-hen Berge unter dem ganzen Himmel wurden bedeckt. Fünfzehn Ellen darüber stiegen die Wasser; so wurden die Berge bedeckt. Zorngericht Gottes, oh komm nun schnell herbei und mach dieser undankbaren Welt ein Ende!
Plötzlich fuhr der Blick des Predigers wie auf geheime Befehle reagierend zum Himmel empor, und gellende Jammerklagen versetzten die durch das bisher Ver-nommene beim lauschenden Kirchenpublikum ohnehin blank liegenden Nerven in noch heftigere Schwingungen. Nein, oh Herr, bitte lass ab von meinen Augen, nein, nicht wieder diese schrecklichen Visionen!!!!, flehte es eindringlich Richtung höhrerer Sphären. Doch diese zeigten sich davon gänzlich unbeeindruckt, denn der schockierte Seher bedeckte kurz darauf verzweifelt mit beiden Händen sein vom visuellen Horror gezeichnetes Gesicht: Nein, nein, nein, nicht solche Bilder! Oh Herr, erwähle andere, um diesen bemitleidenswerten Kreaturen solche grau-envollen Mitteilungen machen zu müssen!!! Oh Herr, nein, ich will nicht, zwinge mich jetzt niaaaaaaaaaaaaaahhh, ich sehe im Nationalpartk Rincón de la Vieja mit grummelndem Donnergetöse 73 Erdspalten aufreißen, alle etwa 300 Meter tief, und 246 zischende Wasserfontänen, jede von ihnen dreimal höher als der Eiffelturm, jede von ihnen weit über 800°C heiß, schießen nach oben. Durch ihre gewaltigen Dampfschwaden kommt binnen weniger Minuten der Schiffsverkehr auf dem Panamkanal vollständig zum Erliegen.
Und jene mit Urgewalt aus dem Schlund des Nationalparks tretenden kochenden Wassermassen ergießen sich ... neeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiinnnnnnnnnnnn, oh Herr, bitte nicht dorthin!!!!, in den Rio Colorado, der sich nun als alles fressendes, alles zerfleischendes, mörderisches Flussmonster, im Kopf vollkommen wahnsinnig, sei-nen Weg nach Arizona bahnt. ZU EUCH! Deshalb dreimal WEHE DIR!, du sünd-haftes, verderbtes Menschengeschlecht, dort wo das Ungeheuer vorbei rast, wird ihm nämlich eine gurgelnde Flutwelle auf den Klauen folgen und alles um ihn he-rum unaufhörlich unter siedendheißes Wasser setzen; bis Gott den Mount Everest mit seinen Blicken endlich vergeblich sucht.
Als auf diese düsteren Ankündigungen hin tumultartige Szenen ausbrachen, die ersten schluchzend auf die Kniee sanken und anfingen, dem Endzeitvisionär ihre ellenlangen Sündenregister aufzuzählen, lenkte der Himmel aber schließlich doch noch ein. Mit huldvollen Winkbewegungen, welche denen von Danny Brown ver-blüffend ähnelten, gebot das Gewehr Gottes gönnerhaft Einhalt, änderte Stimme sowie Wortwahl, sodass nur kurze Zeit später für alle Reiseteilnehmer wieder be-rechtigter Optimismus bestand.
Doch auch angesichts der unabwandbaren Apokalypse gilt glücklicherweise das, was so tröstlich stehet bei 1 Petrus 1,25: Das Wort des Herrn aber bleibt in Ewig- keit. Und Gott persönlich wünscht ausdrücklich, dass seine wunderbare Verhei-ßung hier, im US-Bundestaat Arizona, am Grand Canyon an euch, geliebte Brü-der und Schwestern, weitergegeben wird. Hat er doch mich (hier an dieser Stelle streckte die historisch gekleidete Person mit verzückten Blicken beide Arme pathe-tisch empor), DIE 11. REINKARNATION VON JOHANNES CALVIN AUS GENF, extra damit beauftragt, euch allen unschlagbare Heilsangebote zu unterbreiten, mit deren Hilfe ihr als automatisch zum Paradies Vorherbestimmte Sintflut Num-mer 2 in einer von meinen strenggläubigsten Mitarbeitern gebauten Arche gelas-sen entgegensehen könnt. Denn es bedenke jeder Mann, jede Frau, jedes Kind: Bald wird überall, wo gerade kamerabehangene Menschen sinn- und nutzlos he-rumstehen, sensationslüstern den Stromtrassen und der Canyonbrücke entgegen- fiebern, selbstverliebt nach schmeichelnden Likes und Honig um's Maul schmie-renden Claqeuren geifernd, HA, nur noch zischendes, kochendes, dampfendes, brodelndes Urmeer wüten, und weder vom Grand Canyon, von Arizona, Bhutan, Mallorca, Deutschland, Bhutan, den Cayman Inseln, Madagaskar, der Ukraine, Grönland noch Ost-Timor, weder von Accounts, Blogs noch sozialen Netzwerken, wird irgendein Quadratmillimeter mehr zu sehen sein.
Hört jetzt darum bitte genaustens zu!, drang es von der Stufenkanzel ohne Unter-lass an die Ohren angesichts bald zu erwartender Höchstpegelstände ihrer Ret-tung entgegenfiebernder Rundfahrteilnehmer. Gottes großzügige Offerte ist leider streng limitiert, sie gilt ausschießlich hier auf dem hiesigen Parkplatz, und das nur für 60 Minuten - ab jetzt gezählt. UND, ich möchte es an dieser Stelle ganz be-sonders betonen: Sie ist gemäß Gesetzeslage des US-Bundestaates Arizona aus-schließlich Insassen des Busses mit der Nummer 11 vorbehalten.
Darum: Oh! Frohlocket, Auserwählte! Welche große, unverdiente Gnade ist euch heute vom Herrn beschieden worden! Endlich dürft ihr, und nur ihr, wieder neuen Mut fassen sowie gleich mein exklusives "Rundum-sorgolos-in-Heaven" Paket zum Schnäppchen-Sofortbucherabatt fast geschenkt erwerben, welches allein seinen Käufern erlaubt, bald, wenn unsere Erdkugel nur noch von blubbernden, heißen, schweflig riechenden Fluten bedeckt sein wird, als prädestinierte Kinder Gottes die komfortablen First Class Außenkabinen der Arche wie den Garten Eden ver-schwenderisch genießen zu können. Genau das ist jene Mitteilung, über die ich erneut bei 1 Petrus 1,25 erquickend lese: Dieses "Wort" ist die Frohbotschaft, die an euch erging.
Busnummer 11? Oh, das sind ja wir!, rief jenes ältere Ehepaar, welches vorhin die noch ziemlich junge Touristin aus Hessen als neuen Luther gefeiert hatte, und dessen angesichts drohender ewiger Verdammnis fast vollständig erstarrte Mimik schnell glücklichen, zuversichtlichen Zügen gewichen war. Sagen Sie, was erwar-tet uns denn bei Ihrem Reiseangebot?
Mit sanfter, überzeugneder, tiefes Vertrauen erweckender Tonlage entgegnete da-raufhin Johannes Calvins 11. Reinkarnation: Ich bin wirklich zutiefst gerührt, und meine Seele jubelt dem Herrn Zabaoth immerdar ein Lied vor unsagbarer Freude, dass im vom Teufel beherrschten finsteren Weltenlauf noch einzelne Lichtpunkte glänzen, die mit unverwüstlich kindlichem Glauben Gottes rettender Liebe ihren reinen Herzen Einlass gewähren. Amen, Amen, ich sage euch, es soll euer Scha-de nicht sein! Wir unternehmen nämlich eine siebentägige Pilgertour nach Israel, wo nach Ankunft in Tel Aviv Ihr Weg gleich weiter zum Jordan führt, biblisch be-rühmt als Wirkstätte Johannes des Täufers. Aus organisatorischen Gründen muss unser Bustransfer vom Flughafen schnellstmöglich erfolgen, um seine Quelle recht-zeitig vor den setig steigenden Ufern des Mittelmeeres zu erreichen, weshalb Fo-tostopps unterwegs leider nicht möglich sind. Als Ausgleich steht jedoch für sämt-liche Teilnehmer bald schon der krönende Höhepunkt dieser Reise auf dem Pro-gramm, ihre Taufe! Bleiben Sie einfach entspannt, alles ist vom Presbyterium be-reits wunderbar vorbereitet, und ich persönlich werde nun die Zeremonie an je-dem einzelnen vornehmen. Sämtliche Taufabsolventen erhalten auf Althebräisch, Altgriechisch sowie Latein abgefasste Urkunden ausgehändigt, die sie beim Be-treten der Arche den Kontrolleuren bitte u n a u f g e f o r d e r t vorzeigen. Nur so kann Prädestinationsmissbrauch vermieden werden.
Und wenn Sie dann nach der ergreifenden Handlungsakt endlich zu den vorher-bestimmten Erwählten zählen, erfuhr das gebannt an den Lippen des offenkundig vom Himmel gekommenen Heilsbringers hängende ältere Ehepaar weiter, dürfen sich anschließend alle auf einer nahe der Jordanquelle liegenden großen Wiese gemütlich niederlassen, wo ich auf Französisch predigen und gar höchst erstaun-liche Wunderwerke vollbringen werde, sodass keiner dort jemals seine getätigte Buchung bereut.
Nachdem Sie aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen sind, erhält jeder von Ihnen selbstverständlich ausreichend Zeit zur freien Besichtigung des Jordan-Quellgebietes mit seinen zahlreichen Heilbornen, und wer weiß, vielleicht begeg-net an einen von diesen dem werten Herrn oder der gnädigen Frau ja gleich das nächste Wundererlebnis. Oder gehen Sie einfach ein Stück am jungen Flüsschen spazieren und schöpfen dabei ausreichend Kraft für die anstrengenden kommen-den Tage auf dem kochend anschwellenden Mittelmeer, sobald wir uns im Hafen von Haifa eingearcht haben.
Selbstverständlich hat mein exklusiv für Sie beide zusammengestelltes Reisepaket darüber hinaus zusätzliche Highlights zu bieten. Damit nämlich auch der kulturel-le Aspekt nicht zu kurz kommt, werden wir unterwegs zahllose Monumente unter-schiedlicher Epochen besichtigen, wo, und dafür verbirge ich mich, Gelegenheit genug zum Kauf von Souvenirs und regionalen Produkten besteht.
Um späteren Reisepreisminderungsansprüchen jedoch gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, erkläre ich vorsichtshalber rechtsverbindlich, dass sowohl er-wähnte freie Zeitgewährungen, kulturelle Besichtigungen als auch Kaufgelegen-heiten unter strengem Verbehalt erfolgen. Im Fall erster Warnzeichen verdächtig weit überspülter Strände werden wir selbstverständlich schnurstracks nach Haifa aufbrechen, weil nun die Einarchung zu Ihrer eigenen Sicherheit oberste Priorität besitzt.
Ähm, Herr Calvin, angenommen das klappt mit dem guten Wetter, was gibt es denn da genau zu sehen?, wollten daraufhin mehrere neugierig aufhorchende Reisende interessiert wissen. Auf solche nicht unberechtigten Fragestellungen bes-tens vorbereitet, so als ob sie erwartet worden wären, antwortete die historisch gekleidete Person schlagfertig: Danke für Ihr Nachhaken! Unter anderem werden wir unter fachkundiger Führung einer als Römerin verkleideten hübschen Latein-studentin vollständig erhaltene römische Thermenbecken aus dem 3. Jahrhundert nach Christus besichtigen und uns anschließend von ihr nach dem Kochbuch des Apicius zubereitete Speisen schmecken lassen. Bringen Sie daher herzhaften Ap-petit mit! Ich weise jedoch an dieser Stelle die Männerwelt darauf hin, folgendes bitte zu beachten: Die junge Dame ist glücklich vergeben und wünscht keine Flirt-versuche! Auch nicht auf Lateinisch!
Frisch gestärkt setzen wir unsere Fahrt fort, denn wahre architektonische Juwel-schätze brennen förmlich darauf, nach so vielen Jahrhunderten endlich von Ihnen entdeckt zu werden. Kommen Sie beim Erkundigen der als Burgruine erhaltenen, ehemals mächtigsten Kreuzritterfestung mit dem Fotografieren nicht mehr zur Ru-he. Schwören Sie allerspätestens während des Betretens im eigentümlichen roma- nisch-gotischen Kreuzfahrerbaustil erbauter Kirchen und Klosteranlagen, dass die Existenz jene Epoche niemals aufgehört, anders als es einschlägige Mittelalter-märkte Ihnen vorgaukeln. Zumal der Freund der Lateinstudentin, ein angehender Historiker, während des abendlichen Hotelanimationsprogramms mit dem Sketch "Ich bin Robin Hood!" noch für zusätzlichen Realismus sorgen wird.
Ei, weil sie eben die Hotels erwähnen tun ... sind die bei Ihnen all inclusive, und hat die Bar dann auch wirklich 24 Stunden rund um die Uhr geöffnet?, wollten zwei befreundete Urlaubsfamilien daraufhin kritisch wissen. Nicht dass wir wie in unserem letzten Urlaub ... äh ... wo wo war das nochmal 2017 ... Djerba oder Varna? ... egal, schon um 20.30 Uhr keinen Gin Tonic mehr bekommen!
Auf solche berechtigten, misstrauischen Fragestellungen ebenfalls optimal vorbe-reitet, so als ob sie erst recht erwartet worden wären, öffnete Johannes Calvins 11. Reinkarnation sogleich ihre große Tasche, holte fix einen Stoß Reiseunterla-gen hervor, lächelte gütigst und winkte mit ihm die Busgruppe freundlich etwas weiter heran: Kommen Sie, kommen Sie, treten Sie näher! Haben Sie vor jenen bitteren Urlaubsenttäuschungen, wie sie bei betrügerischen Konkurrenzunterneh- men buchende Ahnungslose leider tagtäglich erleben, keine Angst! Überzeugen Sie sich persönlich von meinem seriösen Exklusivangebot. Es verspricht nicht nur jedem Anwesenden 100%ige Zufriedenheit, nein, sondern garantiert sie auch. Und wie schon einst Paulus zu seinen Zeitgenossen, flehe ich ebenfalls inständig unter flehenden Tränen: Keiner versäume nach dem Durchlesen mit seiner binden-den Vertragsunterschrift die ihm am Grand Canyon von Gott geschenkte Gnade der Buchungschance dankbar strahlend anzunehmen! Und wenn Sie den Reise-kontrakt nicht für mich Unwürdigen unterzeichnen möchten, dann haben Sie bitte ein Herz: Tun sie es für unseren Luther, er soll sein bahnbrechendes "sola gratia" damals nicht umsonst gelehrt haben.
Doch merken Sie wohl: Egal wie Ihre Entscheidungen ausfallen mögen, seien Sie sich über eine Tatsache fest im klaren: Erdeben und Vulkanausbrüche warten nur ungern darauf, dass man höflich fragt, ob sie nicht die sintflutartigen Wassermas-sen des Colorado River vielleicht jetzt gerne weiter ansteigen lassen möchten!!!! Wer von Ihnen allen möchte also gleich bei mir buchen?

HEY, WAS SOLL DAS? LASS MICH GEFÄLLIGST LOS!!!!!!!!!, störte wiederum ein empörter Ausruf Danny Brown, der immer noch mit Imitation uns hinlänglich be-kannter Strömungsverhältnisse in Yokohamas Hafenbecken beschäftigt war, uner-schütterlich darauf vertrauend, bald aus Miami grünes Licht zur Ausübung eigen-mächtiger Entscheidungen zu erhalten. Nichts war ihm inzwischen unerträglicher und verhasster geworden als jenes sich permanent wiederholende kreisförmige Rotieren, jene auf seine Mentalverfassung allmählich schwer wie Blei drückende situative Monotonie, in die selbst kunstvolle Gestikulationsvarianten dauerhaft kei-ne wirkliche Abwechslung hineinzubringen vermochten.
Als er auf den Lärm hin erneut kurz anhielt, beide Augen fest in Richtung des gro-ßen Luxusreisebusses gerichtet, setzte der Zarathustra im globalen Reiseleiterge- schäft prompt umso schnelleren Fußes seine Runden fort, war Danny Brown doch gerade gemeinsam mit den übrigen Reisenden schon wieder Zeuge eines an Dra-maturgie kaum zu überbietenden Predigerwechsels geworden. Johannes Calvins 11. Reinkarnation hatte nämlich inzwischen die erste Stufe der vorderen Bustür nicht ganz freiwillig wieder räumen müssen, war es der noch ziemlich jungen hessischen Touristin durch entschlossenes, mutig durchgeführtes ruckhaftes Zerren am edlen Gewande doch tatsächlich gelungen, sich ihre von allen längst verlo-ren geglaubte Kanzel im Handstreich zurückzuerobern.
Über das Ausmaß dieser Abläufe voll und ganz im Bilde, beschleunigte Danny Brown daraufhin nochmals seine Kreisgeschwindigkeit, erreichte rasch Vmax und zirkulierte anschießend in einem konstant beiberhaltenen Radius von 2,5 Metern jetzt quasi rennend umher, wobei die regelmäßig eingelegten Zwischenstops nun-mehr auch dazu dienten, Kaiser Augustus' Diensthandy wirklich soweit wie es nur irgendwie ging, dem Bus entgegenzuhalten. Dick must hear it all! Yes, he must hear it!, schoss es ihm dabei wild durch den Kopf. Ja, Dick Springletown musste unbedingt durch optimalste akustische Verbindungen über den aktuellen Stand unglaublicher Vorgänge auf dem Laufenden gehalten werden, welche von ihren Dimensionen inzwischen weit über einen bloß soeben vollzogenen Redner-tausch hinausgingen.
Denn zu des großen Imperators Bestürzung war im Rahmen seiner aufrichtigen Berichterstattung nach Miami der für ihn äußerst erschwerende Umstand hinzuge-kommen, dass bei etlichen Touristen zeitgleich mit dem Signieren ihrer Reisever-träge abprupte Stimmungsschwankungen einsetzten. Der gebürtige Franzose aus Noyon hatte sich nämlich als reformierter Prediger im Eifer des Gefechts unglück-licherweise zu einer sehr folgenschweren Fehleinschätzung des gläubigen Volkes verleiten lassen. Vom süßen Duft verlockender, vertraglich garantierter Verheißun-gen betört, übersahen diese Reisenden vollkommen das uns bei Mt. 26,41 über-lieferte mahende Wort des Herrn an Petrus: Wachet und betet, damit ihr nicht Versuch fallet! Der Geist ist zwar willig, das Fleisch aber ist schwach.
Angesichts eben gebuchter komfortabler First Class Außenkabinen mit Blick auf das kochende Mittelmeer sorglos geworden, geriet bei ihnen das charismatische Auftreten des Sohns eines Bischofsbeamten schnell in Vergessenheit. Wie Men-schen auftretend, die sich alles erlauben können, wie Leute, die sich ihrer Sache absolut sicher sind, wie Personen, die genau wissen, dass ihnen jetzt keiner mehr etwas kann, hielten sie vielmehr ihre Buchungsunterlagen dem Himmel entgegen, so von deren Macht überzeugt, dass sich zwei ältere Damen aus der Gruppe bei solchen Bildern spontan an jene, inzwischen lange zurückliegende Wallfahrt nach Santiago de Compostela erinnert fühlten, als sie einst im kühlenden Schat-ten der mächtigen Kathedrale staunend bemerkten, wie zahllose erschöpft an-kommende Pilger gleich zum Kirchenbüro stürmten, um wenige Momente später der Öffentlichkeit freudetrahlend ihre dort erhaltene, Petrus am Himmelstor vorzu-zeigende Einlassurkunde zum Paradies präsentieren zu können.
Verflogen war also dank des Genfer Reformators 11. Reinkarnation lähmende Angst, vorbei bibberndes Zittern, vorüber panische Schweißausbrüche, an deren Stelle nun bedenklich leichtfertige Umgangsweisen bezüglich ihrer strengen Mah-nung zur rettenden Taufe im Heiligen Land traten, welche das Auditorium noch vor wenigen Minuten Hals über Kopf zum freundlich entgegengehaltenen Kugel-schreiber greifen ließ. Und nachdem sie also die Pflicht fürs Seelenheil buchungs-technisch absoviert hatten, verstaute ein jeder siegesgewiß seine käuflich erwor-bene Prädestination fein säuberlich im Gepäck, um sogleich zur Kür, dem gemüt-lichen Teil des Tagesprogramms überzugehen. Anstatt nämlich per Samrtphone oder Notebook für die bevorstehende Pilgerreise gleich vor Ort passende Bußge-wänder kostengünstig bei amazon zu bestellen, nutzte besagter Personenkreis eiskalt die durch Johannes Calvins Geschäftsgeschick gekommene Chance zum Fallenlassen bislang geschickt getragender harmloser Touristenmasken, wodurch schlagartig ihre wahren, hässlichen Fratzen als von Danny Brown so dermaßen gefürchtete Nutzer Sozialer Netzwerke sichtbar wurden. Selbst dem Theologen dämmerte es angesichts eines sich mit der Faust an den Kopf klopfenden, ihm dabei wütende Dankesblicke für erwiesene Bärendienste zuwerfenden Reiselei-ters allmählich, dass er mit seiner Prädestinationslehre wohl eher ein dickes Ei-gentor geschossen hatte. Zu spät. Keinen Gläubigen kümmerten jetzt irgendwel-che mahnenden Prophzeiungen, die Tage der Welt und des Internets seien was-sertechnisch gezählt. Niemand zerbrach sich mehr über bevorstehende Sintfluten den Kopf. Doch wir Karussellpferde fragen ganz ehrlich: Weshalb hättet ihr auch anders reagieren sollen, Auserwählte? Sich anscheinend genau derselben Über-legung bewusst ließen sie den lieben Gott einen guten Mann sein, zückten Foto-kameras, Smartphones, Notebooks, iPhones oder Videokameras und verstießen mit dem Equipment unverfroren gegen den von Kaiser Augustus vorhin erteilten Befehle, indem jene spannenden Live-Geschehnisse als qualitativ hochwertiges Bildmaterial dank erstaunlich hervorragender WLAN-Bedingungen vor Ort zeit-nah auf unterschiedlichsten Portalen erschienen. Und eine Aura ausgelassener Fröhlichkeit umgab bald schon den Busparkplatz, verwandelte seine breitflächige Anlage in ein Elysium unbeschwerter Heiterkeit. Selbst Zeitgenossen, denen akti-ve Internetpräsenz bislang stets höchstgradig suspekt erschienen war, ließen sich von den alten Hasen auf Blogger, Facebook, Intagram & Co urplötzlich anstec-ken und bereitwillig fachliche Unterstützung beim unstillbaren Wunsch nach eige-nen Accounts gewähren. Jeder wollte dabei sein, keiner etwas verpassen, alle wollten wie einst Leon in Yokohama zu Internetstars avancieren, sobald jene prophezeite Naturkatastrophe von Costa Rica aus endlich die weite Welt fluten würde. Selbst abgebrühteste Twitterprofis, lärmten erfasst vom Rausch wallender Glücksgefühle gemeinsam mit ihren gerade frisch angelernten Anfängerkollegen geschwisterlich im Chor, huldigten, applaudierten dem drastisch geschilderten, sehnsüchtig erwarteten Szenario, riefen "Wow, gerade erst meinen Account ge-macht und schon drei Likes für's erste Busparkpklatzfoto bekommen", "Heyyyy, zwei neue Follower, jetzt sind es 28", "Boah, was geht denn hier gleich ab, Leu-te?" , vor allem jedoch "Und? Steigt das Pegel schon weiter an?", eine Frage, welche hier jeden momentan wirklich am brennendsten interessierte.
Doch mit dem durch harten körperlichen Einsatz erwungenen, gänzlich unvorher-gesehenen Wiederauftritt der Hessin auf der Geschehensbühne trat jäh Totenstil- le unter den Glückseligen ein, erstarben unvermittelt deren vor Sekunden noch so vital agierende Lippen, ach, denn sie alle mussten wie einst Knirps Leon in Yoko-hamas China Town vor den Augen seiner Schwester Pia ihre jungen Internetträu- me begraben, welche ihnen gerade das rauschenden Festbanketten gleichende worldwide web als Lebenschance erscheinen ließen. Ach, Ironie des Schicksals, denn du wolltest es, dass ausgerechnet zwei altmodische, grundsätzlich Schreib-msaschinen benutzende Anglistikdozenten für Altenglisch an einer deutschen Fa-kultät, unwissend, was "Login" beziehungsweise "Logout" bedeutet, Zeuge des für die Ahnungslosen aufkommenden Unheils wurden. Als Nummer 13 beschil-dert stand ihr Reisebus zufällig nur wenige Meter von Danny Browns Transport-vehikel entfernt, sodass sich sämltliche dort abspielenden Szenen quasi hautnah mitverfolgen ließen. Und mit wachsender Beunruhigung beobachtete das Wis-senschaftlerduo jene von dort ausgehende Transformation ursprünglich rein funk-tional angelegter Parklfächen in einen blühenden hortus deliciarum.
Ihres Zeichens zwar international ausgewiesene Beowulf-Experten, teilten beide dennoch mit Professor di Augustini dasselbe Los, von Studenten wie auch Kolle-gen als seltsame Käuze verspottet zu werden. Verschrobenen Eigenbrötlern glei-chend hatten sie sich nämlich als einzige deutsche Hochschuldozenten Signore di Augustinis gewagter literaraturhistorischen Lehre vom praepostepischen Realis-mus bedingungslos angeschlossen, nach der jeder einzelne Vers uns überlieferter alter Epen buchstabengetreu wahre Geschehnisse schildert, ja, aufgrund der zeit- losen Natur epischer Texte weisen darüber hinaus alle der in ihnen vom Dichter beschriebenen Begebenheiten über die Epochen hinweg zyklische Wiederholun-gen auf, für Eingeweihte klar erkennbar an inhaltlich ähnlichen Phänomenen mo-dernen Lebens.
Kein Wunder also, dass die Hochgelehrten jene von Busnummer 11 um sich grei-fende gute Laune mit ernsten Mienen beargwöhnten, hatten sie doch das alteng-lische Epos derart tief verinnerlicht, dass ihnen gehöriger Sicherheitsabstand zu Danny Browns Luxusreisebus ratsam erschien, nein, niemals würden Professor Dr. Dr. Dr. Honorius Agricola und Professor Dr. Dr. Dr. Dr. hon.caus. Irenäus Poimén den inzwischen von allen Seiten neugierig herbeiströmenden Grand Canyon Be-suchern in Richtung ohrenschmeichelnder Klänge folgen.
Herr Kollege, Herr Kollege, mich dünkt gar Schröckliches an diesem vom Unheil bedrohten Ort, begann Herr Agricola (den wahren, nicht seinem hohen Bildungs- grad angemessenen Nachnamen hatte er humanistischer Tradition entsprechend latinisieren lassen, um nicht fälschlicherweise als ungebildeter Bauer zu gelten) ihren wissenschaftlichen Disput, exakt so müssen wir uns das heitere Lärmen vor-stellen und die Jubelrufe, jenen überbordenden Frohsinn, wie der anonyme Dich-ter es uns kündet von Heorot, König Hrothgars berühmter Methalle.
Trefflich gesprochen, teuerster Freund, antwortete daraufhin Herr Poimén (auch er schämte sich zutiefst seiner offensichtlich früher mit Schafen durch die Gegenden gezogenen Vorfahren, bevorzugte allerdings Philipp Melanchton folgend lieber gräzisierende Übersetzungen). Heorots Lage erscheint auch mir recht besorgnis-erregend, denn das ist gewisslich wahr, um einmal Luther zu zitieren, des Königs prächtiges Gebäude, erbaut wie von Dänen kein anderes jemals zuvor, schwebt akut in horribler Gefahr. Meine Theorie lautet daher, dass Grendel, der Fröhlich-keit hassende Unhold, bereits aus seiner elenden Behausung zornig grollend he-rannaht, gelockt durch den vom langspitzbärtigen Skopen angestimmten, Herzen erquickenden Sintflut-Gesang.
Chapeau, mon ami, chapeau, welch wissenschaftlicher Geist doch dem Gemüte edelgesinnter Männer innewohnt. Erlaube mir jedoch, geschätzter Weggefährte, hierzu anmerkungshalber präzisierendes Fortführen deiner löblichen Annahme. Denn bei König Artus und seiner Tafelrunde, ich könnte schwören, dass Grendel, oh Unheil!, vermutlich längere Zeit schon in Heorot weilt. Sag, siehst du die jun-ge Maid da drüben, welche sich voller Arglist an der jubelnden Dänenschar ent-lang zum Skopen schleicht? Beim Allmächtigen, welch teuflische Verkleidung des Dämons! Niemals hätte ich diesem tumben Sumpfbeherrscher solch süperb voll-führte Verwandlungskünste zugetraut. Verwerfliche Bestie, wie lange muss König Hrothgar dich noch erdulden, bis du, Beowulf, wackerer Sohn Ecgtheows, nahst und dem Todbringer unerschrocken mannhaft sein Ende bereitest?
Bonfortionös resümiert. Kombiniere wie Sherlock Holmes, mein lieber Agricola, du hast meine soeben im Selbstverlag veröffentlichte neuste wissenschaftliche Pu-blikation Grendel. Wie ein Ungeheuer aus längst vergangenen Tagen noch im-mer allgegenwärtig unsere zivilisatorische Gegenwart bedroht bereits eingehend studiert. Wie ich gleich auf Seite 1 als zentrale These anführe, müssen wir leider davon ausgehen, dass Grendel inzwischen mit Vorliebe veränderte Taktiken an- wendet und jeweils situativ imitierend auf König Hrothgars Abwehrmaßnahmen reagiert. Grendel scheint mir entgegen vorherrschender Lehrmeinungen doch ein vernunftbegabtes Wesen zu sein, das wechselnde Umgebungen geschickt zum eigenen Vorteil nutzt. In seiner unermesslichen Not befahl der Dänenherrscher of-fenkundig Heorots rettende Verlegung hierher nach Arizona, ein unglaublich ge-schickter Schachzug Hrothgars, darauf hoffend Grendel werde seine Residenz selbst im Traum nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika suchen. Vergeblich, das Dunkelwesen nimmt wider Erwarten die Herausforderung an, agiert bewusst, zeigt ausgeprägteste Lust am Verkleiden, wird zum anpassungsfähigen Verwand-lungskünstler, zum kreativen Akteur, zum die USA bereisenden Weltenbummler, täuscht als junge, attraktive Touristin brillant kostümierter Schauspieler den König, welcher sich im perfekt als Busparkplatz getarnten Metsaal nahe des Grand Can-yon vor jeglichen Heimsuchungen sicher wähnt wie in Abrahams Schoß und dort vorne gerade dank moderner Handytechnik telefonisch über die aktuelle Lage in Dänemark informiert wird. Schnell, mein Gutester, nimm geschwind deine Spie-gelreflexkamera, denn nun existieren handfeste Beweise für meine Theorie, dass wir uns heutzutage Grendel äußerlich unter keinen Umständen mehr nur als das vom anonymen Dichter beschriebene Monstrum vorstellen dürfen, nein, potentiell lauert der böse Geist vielmehr hinter jedem scheinbar menschlich aussehenden Antlitz. Oh, glanzvolle Sternstunde forschender Wissenschaft, rasch, mon coeur, drücke furchtlos den Auslöser, mit diesen Bildern kann ich sechs Wochen nach Er-scheinen jedes behauptete Wort einzeln belegen, ja, und darüber hinaus endlich meine bereits vor 35 Jahren aufgestellte, von der banausenhaften Fachwelt belä- chelte, zugegebenermaßen damals auf wackligem Grund stehende Hypothese, bei Vers 1 des fragmentarischen Finnsburg-Liedes, übersetzbar mit die Giebel ver-brennen niemals, handele es sich zweifelsfrei um den Abschluß ausführlicher Be-schreibungen über eine von König Hrothgar an vermeintlich sichererem Ort ver-anlasste neue Methalle.
So disputierten also beide Professoren gelehrt miteinander, einsamer Seher kom-menden Unheils, während der arglosen Dänen Freudenschall quer durch Heorot hallte. Grendel, unselige Kreatur, weh, deinen Schlag gegen König Hrothgars Re-sidenz hattest du wahrhaft vortreffllich geplant. In Gestalt einer 16jährige hessi- schen Touristin trieb es dich aus düsterer Wohnstatt hierher, dein verderbliches Tun fest im Visier. Weh, und kein Däne bemerkte das Kommen, schlimmer noch, denn ausgerechnet jene, welche dich durchschauten, verspottete man.
Als nämlich Herr Agricola und Herr Poimén den hohen ethischen Maßstäben des praepostepischen Realismus folgend mit weit ausgebreiteten Armen tapfer die an-gesteckt von der an Busnummer 11 durch vortreffliche Skopenkunst erzeugte ver-gnügte Stimmung dorthin eilenden Unglücklichen am Erreichen derselbigen unter allen Umständen hindern wollten, mussten auch sie, wie einst sein Begründer auf der Having Fun Forever, schnell ernüchtert feststellen, dass edle Handlungen zum Wohl unwissender Mitmenschen nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein müssen. Bei zahllosen Dänen stießen solch humanitäre Rettungsaktionen auf völliges Un-verständnis, weshalb unseren unerschrockenen Heroen prompt wirschester Unmut statt dankbar klatschender Beifall entgegenschlug. Beiseite, ihr Opas, riefen dro-hend drei von König Hrothgars tapfersten Kriegern sogar, zieht Leine, aber pron-to pronto!, untrügliches Zeichen gemeiner menschlicher Undankbarkeit im Ange-sicht praktisch gelebten Heldentums zweier leidenschaftlicher Menschenfreunde, sie nicht unschuldige Opfer einer just in diesem Moment heimtückisch durchge-führten Attacke werden zu lassen.
Denn fürwahr: Das Grendelmädchen verstand sein blutiges Handwerk. Katzen-gleich schlich es zunächst lautlos am Rand des vom Skopen erfreuten Dänenvolks entlang bis zur hinteren Busseite. Mit eng an deren sonnengewärmtes Metall ge-presstem Rücken und angespannten Atem pirschte sich Heorots Geißel auf Zehen-spitzen Zentimeter um Zentimeter dem Skopen entgegen, ihre vorsichtig vortas-tenden Bewegungen dabei denen eines Chamäleons gleichend, zähnefletschend vor wütender Beutegier stets zum entscheidenden Sprung bereit, bis nur noch gut zwei Meter zwischen dem Unhold seinem völlig arglosen Zielobjekt lagen. Zwei Meter. Eine todsichere Angriffsdistanz.
HAAAAAAAAAAA!!!! ließ markerschütterndes Gebrüll plötzlich König Hrothgars prachtvolle Methalle erzittern, als Grendel mit lang ausgestreckten Händen auf den Skopen zu sprang, ihn unbarmherzig packte und grob vom Sängerpodest zerrte. Daraufhin dessen laut ertönenden Ruf vernehmend schlug Professor Agri-cola zunächst Kniee schotternd drei Kreuzzeichen, bemerkte jedoch mit rasch zu-rückkehrender wissenschaftlich nüchterner Sicht tapfer gefasst: Kombiniere erneut wie Sherlock Holmes, mein lieber Poimén, Grendels Schlag gegen Heorot scheint geglückt. Sein erstes wehrloses Opfer hat sich das Scheusal gerade geholt, denn ich sehe des Skopen edles Sängerhaupt nicht mehr über die Dänenschar ragen. Doch beim Allmächtigen, es wird weiterwüten!
Beim Odin und beim Thor, wie sollte diese Prophezeiung bereits Sekunden später grausame Wahrheit werden! Kurz nachdem sich Grendel nämlich auf der ersten Stufe der vorderen Bustür triumphierend dem Volk gezeigt hatte, stürzte er seine verfluchte Leibesgestalt vor nach Menschenfleisch dürstender Raffgier rasend auf der Suche nach weiteren Unglücklichen in die Menge hinein. HEEEE,WAS SOLL DAS???? HÖR GEFÄLLIGST AUF, MICH ANZUPACKEN, DU FRECHE LIESE!!!! ... schepperndes Metall ... Schaut euch das an, Leute!, rief eine zweite Stimme auf-gebracht. Sie sie hat seine Videkamera auf den Boden geschmissen. Ey, die Klei-ne hat nicht mehr alle Tassen im Schrank! Doch letztere Worte bekamen die bei-den Gelehrten bereits akustisch nur noch äußerst vage mit, denn just im Moment als der arme Skop ergriffen ward, nahmen Herr Agricola und Herr Poimén ihre Beine in die Hand und flohen so schnell sie von ihnen getragen wurden auf dem Richtung des Grand Canyon führenden Weges; hoffend dass es von diesem viel-leicht einen Abzweig in dessen Tiefen hinab geben könnte, um dort vor Grendel sichere Verstecke zu finden. Reflexartiges Rennen erschien angesichts Heorots La-ge jedenfalls klüger als Ausharren, keuchte Professor Poimén während des hasti-gen Fliehens doch wohl durchdacht jene Worte: Vermessen wäre es, in epische Gesänge eingreifen zu wollen. Dreißig Dänen tötete Grendel beim ersten Angriff, wie der Poet es besingt, zwei hat er bereits vor unseren Augen mordend ergrif-fen. Wahrlich, besser ist Flucht, bevor wir als neunundwanzigstes und dreißigstes Opfer in seinen Mädchenhänden enden, trotz des bei ihm anzunehmenden au-ßerordentlich hohen IQs.
Analysieren wir Karussellpferde das soeben Geschilderte etwas näher, erscheint uns die Reaktion beider Literaturwissenschaftler im Sinn intuitiven Fluchtverhaltens einerseits verständlich, und als Akt menschlichen Selbsterhaltungstriebes verdient sie sogar höchste Anerkennung. Andererseits könnte man ihrem hastigen Losspur-ten unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten jedoch auch unreflektiert vorausei-lenden Gehorsamskniefall gegenüber dem Diktat der Gene vorwerfen. Für letzte- re Annahme spricht unserer Meinung nach vor allem die Tatsache, dass Grendel, obwohl er sein zweites Opfer bereits erbeutet hatte, danach merkwürdigerweise innehielt, um erneut das Skopenpodest zu erklimmen. Heorots Feind stoppte näm-lich gänzlich unerwartet weiteres wütendes Rasen gegen Heorot und beabsichtig-te von der Gestik her zu beurteilen dafür ganz offenkundig von der ersten Stufe der vorderen Bustür herab eine Art Kommunique, wollte scheinbar dort oben per Proklamation sich sowie sein Handeln in König Hrothgars als Busparkplatz ver-geblich getarnten prächtigen Methalle erklären. Ja, das Mädchen schien aus tief-stem Mitteilungsbedürfnis heraus etwas sagen zu wollen, weshalb es forschenden Professoren besser angestanden hätte, zuerst diese mündliche Quelle genaustens auszuwerten, bevor auch ein wissenschaftliches Gesamtbild sie im sich ihnen in-nerlich aufdrängenden Fluchtreflex bestärken konnte. Daher bekamen bedauerli- cherweise weder Herr Agricola noch Herr Poimén mit, wie Grendel in einer per-sönlichlichen Verlautbarung den laufenden Angriff auf Heorot aus seiner Sicht be-schrieb.
Sie haben auf der Hinfahrt zu ihrem Schmierentheater unterwegs im Wuppertaler Brauhaus wohl ein paar Bier zu viel über den Durst getrunken!!!!!!!, herrschte die Sechzehnjährige ihren völlig perplex wirkenden Vorredner vorwurfsvoll an, wäh-rend Danny Brown aufgrund bei Dick Springletown vorliegenden akuten Entschei-dungsblockaden weiterhin hilfloser Reaktionsunfähigkeit ausgeliefert war und da- her nichts anderes tun konnte, als weiterhin sein schnmuckes Diensthandy weit-möglichst dem komfortablen Luxusreisebus entgegenzuhalten, verbunden mit Hof-fnungsgedanken auf eine positiv beschleunigende Wirkung akustischer Eindrücke hinsichtlich der momentan obsoleten Entschlusskraft seines Chefs. Und wären sie an Busnummer 11 nicht allesamt 100% davon überzeugt gewsen, sich hier nahe des infolge willkürlicher Naturlaunen fast komplett unter Wasser stehenden, selbst für gewiefteste Reiseleiter kaum wiederzuerkennenden Grand Canyon und nicht irgendeinem trockenen Gerichtsaal zu befinden, hätte jeder Anwesende schwö-ren können, die Kulisse wandele sich und eine Staatsanwältin begänne mit dem strengen Verlesen der Anklageschrift, als nämlich das Mädchen sein Gegenüber scharf anging.
Wusste ich's doch! Sie haben vorhin ihre Reiseverträge leichtfertigerweise beim größten Trickbetrüger unterschrieben, den die Welt jemals ertragen musste, eben-so gut hätten Sie ihr teures Geld auch drüben in den Grand Canyon werfen, ha-haha, oder besser noch besser: gleich mir schenken können!, klangen tadelnde Worte den ziemlich verwirrt dreinschauenden Neureisekunden entgegen. Nach-dem das Mädchen nämlich endlich selbst eine der Broschüren ergattern konnte, kamen in ihm beim längeren Betrachten des werbewirksam platzierten Bildmateri-als umgehend schwerwiegende Verdachtsmomente auf, ähnelten doch sämtliche werbewirksam platzierten Fotos auffälligerweise genau jenen Sehenswürdigkei-ten, denen die 7c im Jahr 2014 auf ihrer Klassenfahrt begegnet war.
Und als demonstratives Zeichen, dass die Machenschaften der historisch geklei-deten Person jetzt durch die Jurisprudenz ihr endgültiges Ende gefunden hatten, zog deren noch recht junge Verfechterin Johannes Calvins 11. Reinkarnation fest am markanten langen Spitzbart, den sie aufgrund offenbar nur mäßig verwende-ten Klebstoffs sofort in beiden Händen hielt und gleichsam einer Jagdtrophäe co-ram publicum präsentierte. Sehen Sie das? Hüten Sie sich vor dem Mann!, öffne-te die Vertretung der Staatsanwaltschaft 72 ungläubigst starrenden Mitreisenden anhand haariger Beweise weiter schonungslos die Augen. Er ist ein Betrüger. ER ist jener von Interpol weltweit zur Fahndung ausgeschriebene Täuscher, über wel-chen fast täglich die Nachrichten berichten, und mit dem ich selbst schon einmal das unangenehme Vergnügen hatte. Schauen Sie sich einmal alle Fotos, die er in seinen tollen Reisebroschüren unglaublich dreist als Bilder aus Israel vorgibt, ge-nau an. Sehen Sie das nicht? Sämtliche Motive sind ausnahmslos in Soest sowie dem Padeborner Land entstanden. Sie fielen mir gleich auf, weil ich zufällig vor vier Jahren eine Woche auf Klassenfahrt in dieser Gegend war.
Kaum ausgesprochen wandte sich die selbstbewusst auftretende junge Dame um-gehend wieder Genfs berühmtem Reformator zu, welcher zum Erstaunen aller un-ter lauten Aua-Rufen, begleitet von mit einem Fuß auf den anderen springenden, recht unterhaltsam anzusehenden Hüpfeinlagen, nunmehr in der rechten Hand seinen langen Spitzbart hielt, während er mit der linken an das offensichtlich äu-ßerst schmerzende Kinn fasste; anscheinend war doch etwas mehr Klebstoff als unbedingt notwendig für die Barthaare verwendet worden als deren Abreißerin ahnen konnte: Tja, Täuscher, damit hast du damals wohl nicht gerechent, dass wir uns nach deinem hinterlistigen Spiel im Seligenstädter Klostergarten jetzt am Rande des Grand Canyons wiederbegegnen würden, rief sie die dem Enttarnten direkt ins Gesicht, aber es ist im Leben nun mal so, wie meine allerbeste Freundin Caislin stets weise zu sagen pflegt: Man sieht sich immer zweimal. Ich habe da-mals meine Hausaufgaben für die vor dem Kirchengremium abzulegende Glau-bensprüfung gemacht und aus dieser Lektion gelernt. Seitdem sitze ich sonntags ohne störende Ablenkung brav freiwillig in der ersten Bank, direkt unter der Kan-zel, deshalb kann mich keiner mehr übers Ohr hauen, so wie du einst.
Hör mir also gut zu, Täuscher: Wenn du schon groß mit Bibelsprüchen glänzen möchtest, dann zitiere gefälligst die von dir willkürlich aus der Luft gegriffenen Stellen schön brav weiter. In 1 Petrus 2,1 steht nämlich anschließend geschrie-ben: Legt daher alles Böse ab, alle Hinterlist, Heuchelei und Missgunst und alles böse Nachreden. Oh, mieser, schäbiger Betrüger!!!!!! Schämst du dich kein biss-chen, gutgläubige Touristen hinters Licht zu führen, von denen jeder einzelne auf seiner mühsam angesparten, teuren USA-Busreise doch wirklich nur ein einziges Herzensanliegen besitzt: wenigstens einmal im Jahr während des Urlaubs glück-lich sein zu dürfen, ein einziges mal nur, mehr verlangen sie nicht, doch selbst diesen bescheidenen Wunsch missgönnst du ihnen.
Nun, haben Sie die angeblich im Heiligen Land fotografierten Sehenwürdigkei- ten inzwischen erkannt?, galt der feurige Frageruf des Mädchens daraufhin wie-dem immer bestürzter dreinblickenden Auditorium, hatte dieses doch seiner Mei-nung nach genügend Zeit gehabt, um mit gesundem Menschenverstand sämtliche in den vorhin ausgehändigten Pilgerpropekten abgebildeten touristischen Höhe-punkte einer jeden Israelreise als eindeutige Manipulationen verlogener Scharla-tanerie zu begreifen. Geht Ihnen allmählich ein Licht auf?, schallte es mit lauter Stimme weiter über den ganzen Busparkplatz, wobei sich immer mehr Account-inhaber, wie auch Nicht-Accountinhaber, misstrauisch geworden die Äuglein rie-ben. Ha, dass ich nicht lache! Bilder vom Paderborner Dom zeigt er Ihnen frech auf den bunten Seiten, in dessen Kreuzgang sich übrigens das berühmte "Drei-Hasen-Fenster" befindet. Ja, und bei den angeblichen römischen Thermenanla-gen handelt es sich zweifelsfrei um das Quellbecken der Lippe, welche dort vis à vis im Schatten altehrwürdiger Burgruinen als eine der stärksten Quellen Deutsch-lands in Bad Lippspringe entspringt. Pah, von wegen die einst mächtigste Kreuz-fahrerfestung im Heiligen Land! Ach, und besagte Wiese liegt übrigens auf dem Gelände des Jordanparks gleich unmittelbarer daneben; da können Sie sich jetzt an Ihren fünf Fingern ausrechnen, was das für große Wunder sein werden, die der Betrüger dort vollbringen will. Hier, sehen Sie: Ich habe von unserer Klassen- fahrt Erinnerungsfotos auf meinem Smartphone und kann Ihnen daher meine an-klagenden Vorwürfe ausreichend beweisen.
Ab...ab...ab...er, der Jo...Jo...Jordan..., stotterte einer hilflos, offenbar jener Sorte Menschen zugehörig, bei welcher die Hoffnung stets zuletzt stirbt, der fließt doch wirklich dort, das habe ich mal in einer Dokumentationssendung über Israel gese-hen, da bin ich mir sogar 1000%ig sicher.
Sagen Sie mal, wie naiv sind Sie eigentlich sein?, kanzelte die vor Ort tapfer für Recht und Gesetz sorgende hessische Teenagerin den vom Wahrheitsgehalt frü-herer Fernsehbilder absolut überzeugten Mann, der kurz zuvor nach nur kurzem Seitenblättern bedenkenlos den ihm freundlich entgegengehaltenen goldenen Ku-gelscheiber dankbar entgegengenommen hatte, mit oberlehrerhaftem Ton einem dummen Schuljungen gleichend ab. Hierbei rüttelte sie ihn zusätzlich dermaßen stark an beiden Schultern, dass dem Armen vor Schreck das noch in seiner Hand befindliche wertvolle Schreibutensil zu Boden fiel. Ein dort entspringendes Flüss-chen trägt rein zufällig den Namen seines größeren und bekannteren Verwand-ten. Na und??? Zwar konnten wir damals nicht genau eruieren, wie es zu dieser Bezeichnung kam, aber für Bad Lippspringe, das sich gerne "Stadt der Quellen" nennt, ist "Jordan" doch ein absolut passender Name; wenn dieses kleine Ge-wässerchen überhaupt noch exisitiert, denn der im Westfalen-Blatt Nr. 216 vom 17.09.2014 abgedruckte Artikel Der Jordan ist trocken berichtete ausführlichst über dessen problematische Wasserstandssituation.
Darum horcht wohl auf, ihr zwei literaturhistorisch-lutherischen Hinduisten: Merkt denn keiner von euch gebildeten Universitätsgelehrten, welch verderblicher Irrleh-re er anhängt? So verblendet ist euer Forscherverstand durch Täuschwerke eines gerissenen Gurus, der jedes Jahr in Kalkutta vor Götterbildern zwar jedem seiner Neu-Jünger viel Erleuchtung auf Erden verspricht, doch nur Irrwahn liefert: Sagt, mutet es nicht mehr als nur seltsam an, dass genau jene Kölner Romanistikfakul-tät, welche sich um ihn buhlerisch reißend aus dem fernen Palermo berufen hatte, bereits einen Tag nach besagter Antrittsvorlesung dessen Büro räumen ließ? Sagt, warum ist es selbst im Kölner Karneval bis zum heutigen Tage unter Androhung sofortigen Vereinsausschlusses strengstens verboten, als Büttenredner auch nur an-deutungsweise Witze über jene Angelegenheit zu machen?
Grendel, den liebenswürdigsten aller Zeitgenossen, stets mutig bestrebt, Lug und Betrug endgültig aus unserer Welt zu verbannen, erkanntest weder du, Agricola, noch du Poimén. Nein, als menschentötendes Ungetüm habt ihr ein unschuldiges, stets unerschrocken im Einkang mit der Bibel argumentierendes Wesen vielmehr verteufelt, hieltet geistig umnachtet einen simplen Busparkplatz nahe des Grand Canyon für Heorot, einen duckmäuserischen Reiseleiter für König Hrothgar, durch wahnwitzige Lehren eines Rattenfängers tragischerweise um Wahrheiterkenntnis betrogen.
Wohlan! Sagt euch furchtlos von Professor di Augustini schleunigst los, schwört ab seinen die Welt ins Unglück stürzenden Hirngespinsten und pilgert alsdann im Büßergewand nach Santiago de Compostela - oder, sollte euch die evangelische Routenvariante eher liegen, nach Trondheim!

Hey, was soll das? Lass mich gefälligst los!, tönte plötzlich erneut eine empörte Stimme über die Köpfe immer noch eifrig fotografierender sowie trotz bestehen-den Verbots unverdrossen fröhlich weiter postender und bloggender Reisender zu Danny Brown herüber. Dieser hatte sich eben endgültig entschlossen, nicht mehr länger äußerst schwammig gehaltenen Vertröstungsfloskeln des großen Dick Spri-ngletown Glauben zu schenken, er werde sich bezüglich ihm vorgetragener An-liegen schon recht bald vom köstlichen wie teuren Hummerfrühstück im Restaurant des Yachtclubs in sein schick eingerichtetes Stadtbüro bequemen. Vielmehr plante der Genius nach Abwägen aller Vor- und Nachteile ungefragtes Zuwiderhandeln entgegen Artikel 3, bevor das hochexplosive, aus religiösem Eifer, jugendlichem Vorwitz sowie medialer Internetrenitenz bestehende Stimmungsgemisch den kläg-lichen Überrest einst spektakulärer Naturkulissen in die Luft fliegen ließ.
Und somit beendete Danny Brown zur Freude seines telefonischen Gegenübers, dem gepflegte junge Damenhände gerade ein Gläschen Champagner zum Preis von 49,50$ kredenzten, freundlich das Gespräch und versuchte, sich mit Hilfe altbewährter Ellenbogentaktiken einen sicheren Weg durch dichgedrängtes Volk zur bei Rednern wohl äußerst beliebten ersten Stufe der vorderen Bustür zu bah-nen. Dort angekommen wollte er weiteren potentiell ambitionierten Sprechanwär- tern umgehend ein für alle Mal klar machen, dass sie sich hier an Amerikas be-kanntester Schlucht und nicht etwa bei Speaker's Corner in London befänden, je-nem Ort, an dem Kaiser Augustus einst als junger Auszubildender während zwei-wöchiger praktischer Unterrichtseinheiten mit offenem Mund staunend miterlebte, wie dort selbst offenkundigste Traumtänzer geneigten Zuhörern fast alles erzählen konnten, solange es nur nicht gegen die Queen ging; und um nochmal eindeutig das im Reisevertrag aus Kostengründen ebenfalls nur extrem klein lesbare Hoch-stellzeichen 465 in Erinnerung zu rufen, demgemäß Posten und Bloggen live vom Grand Canyon laut AGBs strikt untersgt war, weshalb bereits ins Netz gestellte Fotos entsprechend der in Hochstellzeichen 465a-d klar geregelten Ausführungs-bestimmungen sofort vor den wachsamen Augen des jeweils zuständigen Reise-leiters wieder gelöscht werden mussten.
Doch bevor Danny Brown, charmanter Altmeister perfekt ablaufender USA-Busrei- sen besagten Eingreifversuch eingekeilt zwischen Sensationslustigen, Rucksäcken, Fototaschen und Diskussionsfetzen, wie um alles in der Welt es der Jugendlichen gelingen konnte, dem reformierten Kirchengründer auf so überraschend einfache Weise seinen markanten langen Spitzbart abzureißen, bereits kurz darauf ergeb-nislos abbrechen musste, startete die letzte, ultimative Rettungsaktion. Ein Spon-tanwitz, von Insidern präziser Not-Notfallwitz genannt, sollte das Schicksal doch noch im Sinne Dick Springletowns wenden. Solche Not-Notfallwitze finden An-wendung zur raschen Klärung für Reiseveranstalter spontan entstandener, extrem ungünstiger Situationen. Die eigentliche Witzkunst besteht hierbei darin, aus Sät-zen verhaltensauffälliger Reisender Zentralbegriffe herauszuhören und sie binnen Bruchteilen von Augenblicken mit Nennung eines populären Kommunikationsme-diums freier Wahl zum Scherz zu verbinden. Auf streng geheimen Fortbildungen wird ausgesuchten Teilnehmern diese Fertigkeit mit Stoppuhren knallhart einge-trichtert, Lehrgangsteilnehmer müssen ihre Ausbildung mit "1" abgeschlossen ha-ben, die spezielle Zulassungsprüfung ebenso brillant bestehen, vor allem aber im Vorauswahlgespräch glaubwürdige Beweise absoluter Loyalität im Einsatz gegen-über dem Unternehmen liefern. Aufgrund verheerendster Wirkungen ist das Ver-wenden von Not-Notfallwitzen übrigens explizit absolut verfahrenen Situationen vorbehalten. Infolge völlig unerwartet ausgelöster heftiger Lachreaktionen bildet sich nämlich bei Zuhörern ein heiter-irritiertes Reaktionsvakuum, welches vom Rei-seleiter umgehend dazu genutzt wird, die Dinge wieder ins rechter Lot zu brin-gen. Versagt er dabei, hält diese humoristische innere Leere weiterhin unvermin-dert an, was im schlimmsten Fall bis zur vollkommenen Orientierungslosigkeit Be-troffener führen kann.
Hahahahahaha, prustete Danny Brown durch seine zum Lautsprecher geformten Hände laut in die Menge hinein, da wollen wir doch den Jordan gleich mal über WhatsApp fragen, ob er dem Colorado River vielleicht ein bisschen Trockenheit abgeben kann. Doch entweder war dieser Gag überhört, schlecht aufgenommen oder einfach nur nicht verstanden worden, jedenfalls musste Julius Caesars ruhm-reicher Nachfolger mehr als ihm lieb sein konnte realisieren, dass sich zu allem Überfluss nun auch noch die bis dahin glücklicherweise ausschließlich passiv tak-tierende Mutter des Mädchens mit ihrer eigenen Vorstellung bühnenreifer Auftritte aktiv ins aktuelle Geschehen einbrachte. Beiden Hände energisch nach denen des Töchterchens ausstreckend gelang es der Frau Mama nämlich nach längerem erbitterten Tauziehen schließlich, vorlaut schwätzenden Nachwuchs vom Podest wieder auf den Boden des Busparkplatzes herunterzuziehen.
Erneut wechselte also die erste Stufe der vorderen Bustür ihren Besitzer, als die Er-ziehunsberechtigte diese nun selbst erklomm und von oben herab ihrer Tochter vor unendlich dankbar lächelndem Publikum, das für seine Accounts mit erwar-tungsvollen Rufen wie Los, Leute! Knipst, was das Zeug hält, jetzt geht's hier in Arizona vor der Sintflut aber so richtig ab! dem finalen Showdown in einem of-fenbar länger schwelenden Generationenkonflikt entgegenfieberte, eine donnern-de Gardinenpredigt hielt: Alessa Marie! DAS wird für dich noch ein ganz großes Nachspiel haben, sobald wir wieder daheim sind!, schimpfte die Mutter wütend los. Wie oft habe ich es dir schon gesagt: Du sollst dich gegenüber Erwachsenen nicht immer so unglaublich frech, vorwitzig, altklug, besserwisserisch und nase-weis verhalten! Oh, ich flehe dich als meine Tochter unter Tränen an: Sag es mir ehrlich, hier auf der Stelle, was habe ich bloß falsch gemacht, dass du Johannes Calvin, unser großes Familienvorbild, welches glorreich Luthers papistischen Rest beseitigte, vor meinen Augen dermaßen vorführst? Brauchst du vielleicht mehr Ta-schengeld?
Ach, entschuldigen sie bitte vielmals dieses schreckliche Malheur, liebe Mitreisen-de, ergingen ihre anschließenden Worte mit rotem Kopf an die Umstehenden, es ist mir wirklich unendlich peinlich, aber Alessa Marie redet manchmal so unüber-legt, seit sie im Internet eine eigene erfolgreiche Agentur für Städtekurzreisen be-treibt. Nach diesem erklärenden Exkurs wendete sie ihr Gesicht sogleich wieder dem trotzig dreinschauenden Mädchen zu, und ohne weiter Zeit verlieren zu wol-len fuhr die mütterliche Pädagogin - erste laut ertönende, als eindeutige Kompli-mente gedachte Pfiffe männlicher Zeitgenossen dem daraufin eifersüchtig schau-enden Ehemann zuliebe geflissentlich überhörend - mit ihrer begonnen Standpau- ke fort: Und das junge Fräulein braucht gar nicht beleidigt zu tun, denn du wirst dich jetzt augenblicklich beim Herrn Calvin, der mit seiner Prädestinationslehre unendlich viel Gutes den Menschen getan hat, unter Androhung einer erneuten Glaubensprüfung vor dem dir inzwischen ja hinlänglich bekannten Kirchengremi-um reuevoll entschuldigen sowie ihn untertänigst um Vergebung bitten. In franzö- sischer Sprache selbstverständlich. Schließlich will die Partydame bestimmt nicht nochmal abends vor lauter Lernen auf ihr heißgeliebtes Mädchenforum verzich-ten müssen, oder sehe ich das etwa verkehrt? Habe ich mich klar genug ausge- drückt? Und sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!
Als sich die resolute Calvinistin nach diesen Worten jedoch ihrem Vorbild zuwen-den wollte, um die bekannte historische Persönlichkeit eiligst zur großen Entschul-digungszeremonie für infolge pubertärer Leichtfertigkeit erlittene Kränkungen her-beizubitten, musste sie verwundert feststellen, dass Johannes Calvin ihren Blicken entschwunden war. Zunächst dabei freudig an einen möglichen Übergang des er-habenen Meisters in seine 12. Reinkarnation denkend, zeigte jedoch der Ruf Er ist ganz weit da hinten und rennt wie die beiden komischen älteren Herren vor ihm voll panischer Angst auf einen Weg zu, der wohl zum Grand Canyon hinab- führt! eines ganz hinten stehenden Mitreisenden, an dem sich Genfs Reformator vor wenigen Sekunden fluchtartig vorbeigedrängt hatte, allen Anwesenden viel-mehr, wie erdrückend jenes von Alessa Maries Scharfsinn gegen ihn vorgebrach-te Beweismaterial gewesen sein musste.
Ungewollt Zuschauer eines sich in Arizonas Weiten abspielenden, an Dramatik kaum überbietbaren Bühnenstückes geworden, hatte Danny Brown nun endgültig keinerlei Zweifel mehr über die wahre Identität der eben öffentlich zurechtgewie-senen Tochter. Sie war schon seit Beginn ihrer langen Busrundreise durch endlos anhaltendes Geplapper, das auf keinem der komfortablen Sitzplätze des vollkli-matisierten, mit einer stets gut gefüllten Minibar ausgestatteten Luxusbusses über-hörbar war, unangenehm aufgefallen; und sei es während der Fahrt bei inzwi- schen völlig entnervten Mitreisenden oder eines Stopps an den sich von Sensa- tion zu Sensation hangelnden Sehenswürdigkeiten bei anderen, sich dabei eben-falls belästigt fühlenden Touristen, das Mädchen setzte alles daran, um Leute zum Besuch seiner eigenen Internetseite zu animieren.
Als hundertprozentiger Vollblutprofi von Dick Springletown auch zum Aufspüren und Überwachen unliebsamer Internetkonkurrenz eingesetzt, surfte Danny Brown öfters auf ihrer Website und erinnerte sich wieder an das dort lachende Gesicht der jungen Dame. Auf jener Internetseite mit diesen für seine extrem konservative Marketingvorstellung beinahe ekelhaft aufreißerisch daherkommenden Anpreisun-gen. Auf jener Homepage mit dem stets wiederkehrenden Motiv von New Yorks berühmter Freiheitsstatue, welches durch szenische Farbbearbeitungen permanent in den Fokus bestehender Reiseinteressen gerückt wurde.
Schon beim ersten Seitenaufruf besaßen solche auf Kontrast setzenden Werbe-präsentationen in seinen versierten Betrachteraugen aufdringliche, verstörende, den Collagenaufbau trennende, ja, sogar grausam zerreißende Züge. Ferner hat-te man auf Besprechungen stundenlang darüber diskutiert, wie es bei einem so aufgesetzten, so dreisten, so höhnischen Lachen vom unternehmerischen Stand-punkt aus betrachtet überhaupt jemals zu Buchungen kommen könne; und je län-ger Joe Bakers einstiger Bewunderer darüber nachdachte, desto mehr erschau-derte sein sonst allzeit fröhlich schlagendes Resieleiterherz angesichts schreckli-cher Ahnungen, welche Abgebrühte da vor ihm stand.
Sag mal, kenne ich dich nicht irgendwoher aus dem Internet?, begann er vorsich-tig fragend. Bist du nicht jene Kleine, die dort auf ihrer Website leichtgläubigen Zeitgenossen unter anderem maßlos überteuerte Städtetrips nach New York an-bietet, deren in farbigen Ausschmückungen angepriesener absoluter Höhepunkt eine unvergessliche Bootstour auf dem Hudson River zur Freiheitsstatue verspricht, aber von allen deinen Buchungskunden bis zum heutigen Tag kein einziger auch nur im Geringsten ahnt, dass er nach seiner Rückreise neidischen Freunden und Bekannten daheim in Wahrheit Erinnerungsfotos aus Japans Hauptstadt gezeigt hat? Deshalb vermute ich, dass du dieses ständig wiederkehrende, sich aufgrund auffällig abhebender szenischer Farbbearbeitungen stark in das menschliche Ge-dächtnis einprägende Werbefoto mit der Freiheitsstatue deswegen bewusst aus-gewählt hast, damit niemand während des hinzubuchbaren Helikopterrundflugs, der preislich gesehen übrigens in noch viel größerer Unverhältnismäßigkeit steht, beim Blick auf auf den sich durch New Yorks Häusergewirr gemütlich dem offe- nen Atlantik entgegenschlängelnden Hudson River am Ende doch noch misstrau-isch werden könnte, weil ihm dabei der rot-weiß lackierte alte Tokioter Fernseh-turm irgendwie bekannt vorkommt.
Hahahaha, ich merke, dass Sie sich im Reisemetier wirklich super gut auskennen, lachte Alessa Marie daraufhin verschmitzt, denn durch diese äußerst werbewirk-sam platzierten szenischen Farbbearbeitungen sind bislang tatsächlich bei kei-nem einzigen Kunden auch nur leiseste Zweifel aufgekommen, von der künstlich aufgeschütteten Insel Odaiba nicht auf New Yorks Freiheitsstatue und die Skyline Manhattens zu blicken. Doch leider läuf das Geschäft seit Donald Trumps Wahl zum 45. Präsidenten der USA im letzten Jahr gegenläufig. Eigentlich sogar äu-ßerst schlecht, würde ich sagen.
Darüber war der lorbeerbekränzte Imperator als professioneller Fachmann sicht-lich erstaunt, weshalb ihm sogleich die Frage nach möglichen Ursachen derartig massiv zurückgegangener Buchungzahlen auf den Lippen brannte. Nun ja, fuhr das Mädchen fort, eigentlich ist die Nachfrage sogar eher gestiegen, doch sämt-liche Touristen wollen in diesen politischen Zeiten nur noch zum Trump Tower pil-gern. Reisende sind momentan einfach nicht daran interessiert, per Ausflugsschif-fen gemütlich den Hudson River an New Yorks berühmter Skyline entlang in Rich-tung Atlantik zu schippern oder ihre emporragenden Gebäude bequem von Hub-schraubern aus zu bestaunen. Selbst mit Hilfe werbetechnisch gekonnter Hinwei-se, sich die nach umfangreichen Umbaumaßnahmen nun in spektakulärer neuer Erscheinung über den gewaltigen Strom auf Manhattens Wolkenkratzer zuführen- de Hudson Bridge unter gar keinen Umständen entgehen zu lassen, konnte ich das Werberuder bislang nicht wieder zu meinen Gunsten herumdrehen. Denn je-ne 5.000.000$, welche Trump sowie die Präfektur Tokio ursprünglich dafür ver-langten, damit alessamaries-staedtereisen.com Bilder vom Midtown Tower oder Mori Tower als Trump Tower ausgeben darf, hätte ich niemals gezahlt. Aber un-sere zähen Verhandlungen gehen weiter. Die Chance auf weitere Preissenkungen steht beim Midtown Tower momentan sogar ausgesprochen gut. 3.900.000$ hieß es zuletzt, da ist jedoch noch einiges mehr rauszuholen.

Aber als Ausgleich konnte sich dafür mein seit dem Frühjahr 2016 laufendes jüngstes Städtreisekonzept inzwischen zur wahren Goldgrube mausern, führte die Juniorunternehmerin ihren Geschäftsbericht fort, und zwar lasse ich im ge-samten deutschprachigen Raum bunte Flyer mit dem Bild eines Güterzuges als Blickfang verteilen, deren Text folgendermaßen beginnt:
Schon wieder kein passendes Reiseziel für Ihren Urlaub gefunden? Das muss aber wirklich nicht sein! Machen Sie es deshalb wie diese Werbelokomotive hier: Nehmen Sie den Zug und fahren einfach einmal bei herrlichem Wetter durch Hanau, wobei von Ihnen dort unbedingt die sensationelle Gelegenheit zur Besichtigung der weltberühmten CHEOPSPYRAMIDE im Staatspark Wil-helmsbad genutzt werden sollte!
Als erfahrener Profi kann ich es mir ehrlich gesagt kaum vorstellen, dass auch nur eine Person auf der Welt so dumm sein könnte, um auf diesen doch sehr offen-sichtlichen Betrug hereinzufallen; vielmehr werden sämtliche Flyerleser derartige Werbebotschaften sofort für Märchen der Gebüder Grimm halten, versuchte Dan-ny Brown die entstandene touristische Fachsimpelei sichtlich nervös mit rationalen Argumenten schnellstmöglich wieder zu beenden, befürchtete sein scharfer Reise-leiterverstand doch sicher nicht zu Unrecht schon bald ein erneutes Zuschlagen des Täuschers, gegen das er natürlich mit erhöhter Wachsamkeit und Konzentra- tion unter allen Umständen gewappnet sein wollte.
Das Mädchen schien sich allerdings für Danny Browns Anspannungen nicht im Geringsten zu interessieren, plapperte es doch unermüdlich munter weiter drauf los: Gerade im Gegenteil! Denn beim Weiterlesen kann man dem Flyer entneh-men, dass die Cheopspyramide klimatisch bedingt im Lauf der Jahrtausende im-mer stärkeren Erosionsprozessen ausgesetzt war, was bereits Mitglieder der von Napoléon Bonaparte 1798 nach Ägypten mitgenommenen "Commission des sci-ences et des arts" vor Ort mittels spezieller Untersuchungen eindeutig beweisen konnten. Sofort erging daher vom großen Korsen an Jean-Baptiste Lepère der Be-fehl zur sorgfältigsten Zerlegung des Bauwerks und seiner Ersetzung durch eine vom Original selbst für Fachleute nicht mehr zu unterscheidenden Replik.
Napoléons Rückkehr nach Frankreich 1799 ist deshalb auch historisch gesehen keine Flucht gewesen, wie so manche bösen Zungen hartnäckig bis heute be-haupten. Hahahaha, stellen Sie sich bloß vor: Einige Geschichtsforscher denken sogar immer noch, er sei feige desertiert -- so wie später 1812 an der Beresina. Nein, nein, vielmehr war seine heimliche Einschiffung Teil geschickt vor Groß-britanniens Kriegsflotte geheimgehaltener Pläne, die zerlegte Cheopspyramide unter persönlicher kaiserlicher Aufsicht in kühlere Gegenden abzutransportieren, wo sie fortan tief im Erdreich vergraben sowie luftdicht verpackt gegen Sonne, Wind, Regen und Sand geschützt für künftige Generationen erhalten werden kon-nte. Hier...lesen Sie sich bitte in Ruhe alles durch! Rein zufällig hatte ich nämlich daheim extra einige Flyerexemplare für die Reise eingepackt.
Dem späteren Kaiser der Franzosen kam beim Umsetzen seines Vorhabens dann natürlich als allererstes die Stadt Hanau in den Sinn, bemerkte der beste deutsch-prachige Reiseleiter, den die Vereinigten Staaten von Amerika jemals aufbieten konnten, daraufhin mit deutlich ironischem Unterton, um seinen rationalen Beden-ken am geschichtlichen Wahrheitsgehalt solcher Berichte starken Ausdruck zu verleihen. Sie müssen dazu wissen, antwortete das clevere Mädchen jedoch un-beirrt, dass etwa zeitgleich zu Napoléons Ägyptenaufenhalt einige Experten in Wilhelmsbad die Wirkungen des dort sprudelnden Heilwassers anzweifelten. Als daher der hessische Landgraf von den französischen Plänen erfuhr, bot er Napo-léon sofort das Kurgelände zur unterirdischen Lagerung der Cheopspyramide an, um somit einen angemessenen finanziellen Ausgleich für das unausweichlich dro-hende Badefiasko zu erhalten. Und aus Dank dafür, dass er für jenes gewaltige, dem Wohle der Menscheit dienende Projekt die benötigte Fläche zur Verfügung gestellt hatte, wurde Hessens kluger Landesherr 1803 sogar noch in den Kurfür-stenstand erhoben.
Napoléon hat übrigens während der gesamten Vergrabungsmaßnahmen im Co-moedienhaus gewohnt und von der künstlichen Burgruine aus sämtliche Arbeiten geleitet, bis Ägyptens gigantomanischer Gigant schließlich in einem gewaltigen Bauschacht aus den zerlegten Einzelteilen wieder zusammengesetzt war und mit dem Erdaushub zugeschüttet werden konnte.
Das sind also die Gründe, weshalb man Cheops' Pyramide bis auf eine weiter-hin sichtbar aus dem Boden ragende kleine Spitze im Erdreich des schönen Hes-senlandes konservierte, deren äußere Form zudem etwas verändert wurde, damit sich ihr Erscheinungsbild besser dem um sie herum im Stil der Zeit etwa zwischen 1777 und 1785 angelegten Parkareals anpasste. Hierbei folgte man übrigens ei-ner Empfehlung Johann Wolfgang von Goethes, der während des großen Einwei- hungsfestes am 24. Juli 1801 den jubelnden Anwesenden vom Schneckenberg herab seinen bekannten Spruch aus Valmy zurief: Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewe-sen.
Durch diese glücklichen historischen Fügungen sind somit zur großen Freude mo-derner Reiselustiger nach dem Lesen der Flyer endlich keine Urlaubsreisen mehr ins Land der Pharaonen notwendig, weil sie ja nun die Cheopspyramidenspitze wesentlich bequemer und gemütlicher mitten im schattigen Park einer hessischen Stadt bestaunen können. Glauben Sie also bloß nicht jenen offiziellen Märchen, welche Touristenbroschüren oder Internetseiten Ihnen gerne über den Staatspark Wilhelmsbad erzählen möchten!
Es ist wirklich erstaunlich, welchen Humbug man den Leuten heutzutage andre-hen kann!, grinste daraufhin Danny Brown wieder mit diesem spöttischen Unter-ton in seiner Stimme. Und jetzt, wo Hanaus Touristengeschäft dank deines rastlo-sen Einsatzes sicherlich brummt, bist du vom Magistrat als Auszeichnung für sol-che großartigen Verdienste um die Gebrüder Grimm Stadt garantiert auch schon zur Ehrenbürgerin auf Lebenszeit ernannt worden.
Leider noch nicht, klang die die Antwort ein bisschen enttäuscht, vielmehr gab es bis jetzt bereits zehn außerordentliche Dringlichkeitssitzungen im Stadtparlament zur Frage aufgebrachter Bürger, weshalb seit dem Frühjahr 2016 Massen hupen-der Autos und Busse regelmäßig den Verkehr kollabieren lassen...und womit die ständig akute Hotelzimmerknappheit zusammenhängt, wegen der nun überall auf Luftmatrazen oder in Zelten campierende Personen anzutreffen sind.
