
Zeitungsmitarbeiter: Aaaaaaaaaaaahhhhh, welch Erholung! Entspannt auf der Uferbank sitzen und das herrlichen Mainpanorama genießen. Herz, was willst du mehr?
Stiftsäbtissn von Ilbenstadt: Mais attention, denk an deine Zopfperücke, Thorsten. Ich habe dich gewarnt.
Zeitungsmitarbeiter: Geht schon, Alessa Marie. Oh, guck, am anderen Ufer legt die Fähre ab.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Die letzte.
Zeitungsmitarbeiter: Bedauerlich, aber nachvollziehbar. Unrentabel geworden. Die Energiekrise. Seit Februar exorbitant gestiegene Preise. Hohe Betriebskosten. Rote Zahlen. Rechnet sich unterm Strich wirtschaftlich einfach nicht mehr. Alles nur wegen Russland! Nach Corona der Krieg. Hat uns grade noch gefehlt! Leidtragende sind mal wieder die Berufspendler, müssen künftig noch weitere Umwege hinnehmen, da die Mainfähre Mühlheim bekanntlich 2017 - zunächst vorläufig - eingestellt wurde. Da fällt mir ein, Alessa Marie, man munkelt, dass es bei der Mühlheimer Fähre weniger um jene Sicherheitsverstöße ging, die zur fristlosen Kündigung des Pachtvertrages durch den Kreis Offenbach führten, sondern dein Vater vielmehr 2019 seine absolutistische Macht zur Schau stellen wollte.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Papa?
Zeitungsmitarbeiter: Weshalb Hanau-Münzenberg die Wiederinbetriebnahme gleich am ersten Tag sabotierte. Seilriss.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Was verbreitest du da bloß für wirre, haltlose Verschwörungstheorien, Thorsten? Lässt dir von Leuten wohl jeden Bären aufbinden!
Zeitungsmitarbeiter: Äh...nein...äh..so meinte ich...äh...ich wollte damit doch nur sa...
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Thorsten! Maman erreicht jeden Moment samt großem Gefolge den Bischofsheimer Anleger, um überzusetzen. Heute beginnt Mamis wohlverdiente vierwöchige Sommerfrische im Rumpenheimer Schloss. Sie, ihre allerbeste Freundin Carola aus Bebra, 8 neu eingestellte Hofdamen, ferner 120 Dienerinnen und Diener. Am allerwichtigsten: standesgemäße Garderobe. Mal dir aus, wie viele Kutschen anrollen werden. Und falls meine launische Mutter drüben kurzentschlossen das Abladen sämtlichen Gepäcks sowie dessen manuellen Weitertransport verfügt, heißt es für den öffentlichen Fährbetrieb erst recht rien ne va plus. Stundenlang. Dann türmen sich rund um unsere Sitzbank nervige Kofferberge. Vorbei mit der Idylle.
Zeitungsmitarbeiter: Gottseidank! Befürchtete Schlimmstes. Erst 2020 das definitive Aus zwischen Mühlheim und Dörnigheim, 2022 nun hier. Wohin sollen Autofahrer denn noch ausweichen? Huch!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Thorsten, was ist los?
Zeitungsmitarbeiter: Banger Schreck. Dachte, die Fähre bricht in der Flussmitte auseinander.
Stifitsäbtissin von Ilbenstadt: Weshalb sollte sie?
Zeitungsmitarbeiter: Wirkt stark baufällig, kämpft sich mühsam ächzend durchs Wasser. Muss schon extra mit Stahlseilen gesichert werden, damit sie nicht mainabwärts treibt.
Stifitsäbtissin von Ilbenstadt: Eine Fata Morgana, Thorsten, hervorgerufen durch die heutigen Temperaturen. Brief und Siegel, auf der bist du sicher wie in Abrahams Schoß. Apropos: Nie etwas von seilbetriebenen Fähren gehört? Bildungslücke!
Zeitungsmitarbeiter: Entschuldige bitte meine Dummheit, Alessa Marie. Bin aktuell echt zu nichts in der Lage, brauche Ruhe. 36 Grad soll's geben.
Stiftstäbtissin von Ilbenstadt: Kein Ding, Thorsten.
Zeitungsmitarbeiter: Fast geschafft. Wahre Glückspilze, müssten sonst geduldig abwarten, bis auch das letzte Kofferstück den Main überquert hat.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Hahahahahahahahahahahaha!!!!!
Zeitungsmitarbeiter: Was lachst du so schadenfroh?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Bis auf einen.
Zeitungsmitarbeiter: Stehe irgendwie auf dem Schlauch.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Dieser PKW. Gerade angerollt. Pech, wird ne lange Durststrecke. Vor allem, dort darf er nicht stehenbleiben, wenn der Tross auftaucht. Na ja, kannst nicht jeden Tag Glück haben. Ähm...was blickst du denn dauernd da rüber, Thorsten? Gibt's was gratis?
Zeitungsmitarbeiter: Ist das auf der gegenüberliegenden Seite zufällig ein Campingplatz?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Tatsache. Leider wegen Corona über zwei Jahre dicht gewesen. Glücklicherweise konnten wir seit der zum 7. April 2022 zeitgleich mit Hessen erfolgten Aufhebung letzter verbliebener Covid-19-Maßnahmen alles aufholen. Ausgebucht bis 2025. Erweiterung geplant.
Zeitungsmisarbeiter: Komisch, bislang keinen einzigen Touristen erspäht. Vermurtlich denen zu heiß draußen.
Stifitsäbtissin von Ilbenstadt: Wundere mich auch. Normalerweise rennen bereits frühmorgens zig Tauer herum.
Zeitungsmitarbeiter: Tauer?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Schatzsucher. Bitte nicht mit Tower verwechseln. Mieten beim Verleih ein Tau. Mitarbeiter befestigen zunächst das eine Ende am Ufer, binden ihnen anschließend das andere um den Bauch. Auf diese Weise können Abenteurer gefahrlos in die Strömung steigen. Spezialmaterial. Hält mühelos der Wasserverdrängung großer Gas- und Tankschiffe stand.
Zeitungsmitarbeiter: Alessa Marie, du veräppelst mich!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Würde ich niemals wagen, finde dich nämlich mega sympathisch. Gefällst mir, Thorsten. Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhh, süüüüüüüüß, wirst wieder rooooooooooot! Mensch, sag bloß, du hattest noch nie eine Freundin!
Zeitungsmitarbeiter: Null Chance. Klassischer Kandidat für Körbe. Bin zu nett. Frauen fangen nichts mit Männern an, die sie mögen, sondern nur mit denen, die sie respektieren.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Lass dich coachen. Auf Youtube tummeln sich x Kanäle zum Thema. Danach kriegste als Alpha-Tier jede rum.
Zeitungsmitarbeiter: Weiß nicht, Alessa Marie, ist doch peinlich.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Seh ich zwar anders, Thorsten, aber okay, deine Entscheidung. Ähm, wo waren wir stehengeblieben?
Zeitungsmitarbeiter: Bei den Schatzsuchern. Worum geht's überhaupt? Etwa ein versunkenes goldbeladenes Schiff auf dem Grund des Mains?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Ne, aber höchtswahrscheinlich eine alte 2-Peso-Goldmünze aus Mexiko, geprägt 1945, auf der abgeblich Spuren eines Blutstropfen des letzten Aztekenherrschers sichtbar ein sollen.
Zeitungsmitarbeiter: Ausgerechnet im Flussbett zwischen Rumpenheim und Bischofsheim.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Lange Geschichte. Ursprünglich befand sie sich in Liberia, Costa Rica, genauer gesagt dort im Inneren der alten Kirche. Als wir 2014 Costa Rica bereisten, stand Liberia ebenfalls auf dem Programm. Ärgerlicherweise blieb uns der Anblick dieser Sensationsmünze jedoch verwehrt.
Zeitungsmitarbeiter: Wieso verwehrt?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Die Kirche, erstens mexikanische Exklave mit spezieller Visumspflicht, zweitens hermetisch abgeschlossen, sämtliche Türen fest verriegelt und drittens, erzählten sie, drinnen die Goldmünze geschützt hinter zentimetedickem Panzerglas und Tresorstahl, durch sieben Alarmanlagen zusätzlich gesichert.
Zeitungsmitarbeiter: Da bleibt einem ja die Spucke weg.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Hab ein Erinnerungsfoto auf meinem Smartphone. Ich stehe noch in Costa Rica, das Portal ist bereits Mexiko. Überzeug dich selbst.
Zeitungsmitarbeiter: Spanischer Kolonialstil. Total abgeschottet. Da kommt keine Maus rein beziehungsweise raus..
Stiftsäbtissin von Ilbenstadtt: Fehlanzeige. Mexikos unbezahlbares Wertstück verschwand 2015 in einer beispiellosen Nacht- und Nebelaktion spurlos - kein einziger Sirenenton war erschallt, Tresor sowie Panzerglas vollkommen intakt, nicht mal geringste Kratzpuren dran. Weggezaubert unter mysteriösesten Umständen. Pass auf, jetzt kommt der Clou! 2019 tauchte während einer Freiluft-Therapiestunde im Sonnenlicht glitzerndes Münzmetall am Ufer nahe unseres Schlosses im Main auf. Schau, wie grell. Hielt das sofort für Instagram fest. Wollte sie irgendwie rausfischen, doch ausgerechnet daaaaaaa stürzte mein Psychiater, dieser Volldepp, geblendet von ihrem extremen Glanz ins Wasser. Tja, und die Münze ward nimmermehr gesehen. Papa behauptet, es handele sich hierbei zweifellos um jenes sagenumwobene Blutgold von 'El Lago', über unzählige dunkle Kanäle nach Hanau gelangt, jemandem blöderweise in den Fluss gefallen, unter Wasser allmählich weiterbefördert, in Höhe Rumpenheims schließlich im Schlick hängengeblieben.
Zeitungsmitarbeiter: Aaaaaaaahhh, JETZT kingelt's bei mir im Oberstübchen. Rumpenheim, das neue El Dorado.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Biste up to date?
Zeitungsmitarbeiter: Yesssss! Alles notiert! Folglich sind Tauer Glücksritter, welche sich in deines Vaters Grafschaft Hanau-Münzenberg unermesslichen Reichtum plus unsterblichen Ruhm erhoffen. Mannomann, das gibt einen packenden James Bond-Krimi.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Du hast's erfasst, Thors...hey, warte mal, warte mal, warte mal!!!!! Stopp, Kommando zurück!
Zeitungsmitarbeiter: Verstehe null.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Siehst du dieses Schiff?
Zeitungsmitarbeiter: Unübersehbar.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Jubelte für wenige Sekunden innerlich, es sei die seit 2018 meinen Blicken entschwundene Klaus Krieger. Dabei ist's nur die Fame.
Zeitungsmitarbeiter: Anmutig schippert sie stromabwärts. Wohin mag ihre Reise führen?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Aber halt nicht die Klaus Krieger, deren Name für alle Zeiten untrennbar mit jenem denkwürdigen Projektausflug verbunden bleibt. Zu dem du sicherlich noch jede Menge neugieriger Fragen an mich hast.
Zeitungsmitarbeiter: Gleich verschwindet die Fame. Du, Alessa Marie, hab damals am 01. Juli 2021 abends in der Hessenschau davon erfahren, dass Rumpenheim von Deutschland an Hanau-Münzenberg überging, das heißt die Staatsgrenze bis dahin mitten im Main verlief.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Zunächst rein formell, eine großzügige zwölfmonatige Übergangsfrist, damit sich die Einwohner schonend auf kommende Verändeungen einstellen oder alternativ staatlich bezahlt fortziehen konnten. Seit dem 01. Juli 2022 ist der Ort offiziell Hanau-Münzenbergisches Territorium.
Zeitungsmitarbeiter: Wie viel Prozent sind geblieben?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: 100 Prozent. Keine einzige Abwanderung auf Staatskosten.
Zeitungsmitarbeiter: Erstaunlich.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Gar nicht erstaunlich, Thorsten. Die Bevölkerung wusste: Solch eine Chance, als bevormundeter Stadtteil endlich von Offenbach wegzukommen, bekommen wir nie wieder!
Zeitungsmitarbeiter: MMMMMMMMMMUUUUUUUUUUAAAAAAAAAAHAHA- HAHAHAHAHAHAHAHAAAAAAAAAAA!!!!!!!!!!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Zum Glück hast du dir beim Lachen deine Zopfperücke festgehalten.
Zeitungsmitarbeiter: Alessa Marie, in dir steckt wirklich eine Unterhaltungskünstlerin. Ach, schau nur, der hat's gut. Saust bei dieser Affenhitze im Motorboot über den Main. Zwei Königreiche für's Mitfahren darin.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Ein Prospektor.
Zeitungsmitarbeiter: Ein was?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Ähnlich wie bei der richtigen Goldsuche. Das Boot, mit modernster Technik ausgerüstet. Auf ihm suchen Prospektoren im Kundenauftrag den gesamten Rumpenheimer Flussabschnitt ab, um besagte Schatzmünze vorab zu orten. Extrem kostpielig, können sich ausschließlich Superreiche leisten. Praktisch, brauchen als Tauer lediglich kurz rein. Vermutlich ist soeben in Langenselbold beziehungswiese Gelnhausen wieder mal ein milliardenschwerer Tycoon eingeflogen, will während seines in Hanau-Münzenberg gebuchten Abenteuerurlaubes noch mehr Vermögen anhäufen.
Zeitungsmitarbeiter: Zack, notiert. Mann Mann Mann, Raiders of the Lost Ark ein lausiger B-Movie dagegen. Mein Chef wird massig nachdrucken lassen müssen.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Gönne ich dem Wetterauer Dorfpostillion aufrichtig. Und jetzt, Thorsten, ist es dir gerne erlaubt, mich weiter zum Seligenstadtausflug zu löchern. Der Knaller kommt ja erst.
Zeitungsmitarbeiter: Gleich, Alessa Marie. Zuvor Folgendes: Unsere Leserschaft brennt vor Neugier, wie es sich mit der Reaktivierung des Ilbenstädter Kirchengebietes 2021 konkret verhielt. Den einhelligen Aussagen deiner Gegner zufolge verdankst du dein Würdenamt alleine der Tatsache, dass die damalige Bundeskanzlerin von Dennis Kevin I. Graf von Hanau-Münzenberg kurz vor Ostern massiv unter politischen Druck gesetzt wurde.
Stiftsäbtissin von Ilbemnstadt: Hör mal, Thorsten, da befand ich mich voll im Abistress, nach den Osterferien gingen die Klausuren los.
Zeitungsmitarbeiter: Hattest du nichts von jener sensationellen Kehrtwende mitbekommen?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Hilf mir mal auf die Sprünge.
Zeitungsmitarbeiter: Aufgrund der dramtischer Pandemielage beschloss die Bund-Länder-Konferenz besondere Coronaregeln für das Osterwochenende. Nur 24 Stunden später trat jedoch die Bundekanzlerin kleinlaut ans Mikrophon, gestand ihren Fehler ein und entschuldigte sich umgehend dafür. Ganz Deutschland spekulierte verwirrt. Woher rührte Berlins völlig unerwarteter Rückzieher? Was passierte im Zeitraum zwischen Beschlussverkündigung und Zurückrudern? Bis heute kann, darf oder möchte niemand diese brisante Frage einwandfrei beantworten. Aber jetzt wird's erst richtig spannend. Im selben Atemzug verkündete man dem verblüfften Fernsehpublikum, Deutschland werde zum 01. Juli 2021 drei Gebiete an Hanau-Münzenberg abtreten: Niddatal, wo in Ilbensadt dein Stift liegt, Rieneck sowie last but not least Rumpenheim.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Ach?
Zeitungsmitarbeiter: Alessa Marie, tu doch nicht so! Kannst mit doch nicht weismachen, dass Grafentöchter keinerlei Kenntnisse über väterliche Politik besitzen. Jenes ominöse Zeitfenster scheint als sogenanntes Missing Link Schlüssel zu deinem Herrschaftsantritt zu sein. Was also geschah hinter den Kulissen? Und, Gretchenfrage, aus welchen Gründen verleibte Seine Durchlaucht Niddatal nicht Hanau-Münzenberg ein, sondern ließ großzügig dir den Vortritt?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Langsam nervst du, Thorsten. Okay, weil du's bist. Hielt mich seit November 2020 mit Caislin, Amanda und Mariella wegen Lockdown 2 ununterbrochen im Jagdschloss Wolfgang auf, bereiteten uns dort auch aufs Abi vor. Am 25. März 2021 sah ich auf dem Weg runter zur Eingangstür meinen Tukan interessiert die Zeitung studieren, blickte beiläufig über seine Federn stieß dabei halb auf die Titelseitenüberschrift: Frau Merkel bittet wegen irgendetwas um Verzeihung oder so ähnlich. Für mehr waren die Lichverhältnisse zu miserabel, der Seigneur de Beilstein, also mein Tukan, versperrte freie Sicht, außerdem hatte ich's eilig. C'est la verité.
Zeitungsmitarbeiter: Alessa Marie, doch, du veräppelst mich. Nanu? Oh Gott! Alessa Marie!!!!! Was um Himmels willen tust du da bloß als geistliche Dame?????
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Aaaaaaaaaaaaaaaaawwwww...mein kleiner rasender Reporter...wirst wieder rooooooooot!!!!! Aaaaaaaaaaaaaaawwwww... schimmert sogar durchs weiße Schminkpuder!!!!!
Zeitungsmitarbeiter: Aufhören, bitte, bitte, bitte, aufhören!!!!! Noch nie in einem gesamten erbärmlichen Leben hat ein Mädchen, geschweige denn eine Frau sanft meine Hand gehalten, mir gleichzeitig tief in die Augen geschaut...mein Herz...es pocht wie verrückt!!!!! Bitte, hör auf, du bringst mich um den Verstand!!!!!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Alles halb so wild, Thorsten. Es sind weniger unsere offensichtlichen Gefühle füreinander. Vielmehr lechzt dein journalistischer Wissensdurst aufgeregt danach, endlich die Fortsetzung meines packenden Berichts zu erfahren. Horch tief in dich hinein. Glaubst du ernsthaft, dein feinfühliges Herz interessiert sich für Typen wie 007 oder Indiana Jones?
Zeitungsmitarbeiter: Hochwohlgeborene Fürstäbtissin nehmen mir das Wort aus dem Mund. Liebe scheidet ohnehin aus, unüberwindbare standesunterschiedliche Barrieren zwischen Euch hoher geistlicher Herrin und mir niedrigem Bürger.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Kommt Zeit, kommt Rat. Und wie vorhin explizit betont, Thorsten, hochwohlgeborenes Gefasel sparen wir uns. Bin die Alessa. Auf, wir laufen weiter am Main entlang, gleich taucht Mamas Kutschenkolonne auf. Falls sie tatsächlich bestimmt, dass die Diener jedes Einzelteil entladen, wird's hier unruhig.
Zeitungsmitarbeiter: Welch unaussprechliche Ehre, dich so vertraut nennen zu dürfen, Alessa. Du, wie ging denn eure Tour weiter? Platze vor Ungeduld! Und ja, erhebe mich liebend gerne. So. Witzig, wollte dasselbe vorschlagen. Wegen meiner Zopfperücke. Allzu langes Sitzen bei extremer Sonneneinstrahlung birgt brandschutztechnisch die Riesengefahr, dass...
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Aaaaalllllsooooo...an der Schleuse wieder auf unsere Drahtesel gestiegen erreichten Mariella, Cailsin, Amanda und ich kurz vor dem eigentlichen Ziel die Fähre Seligenstadt, wo wir sogleich jene Uferstelle ansteuerten, von welcher aus die Klasse 8c anno 2014 das Geschehen live mitverfolgte. Und wie 2014 glitt die von Bayern kommende Fähre übers Wasser, grellweiß im Sonnenlicht schimmernd. Was lernen wir daraus? Geschichte wiederholt sich. Quod erat demonstrandum. Joa, und damit endet meine Schilderung. Merci vielmals fürs Zuhören.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Hahahahahahahahahahahahahaha, Thorsten, wenn du dir jetzt einen Spiegel vorhalten könntest, dein Gesichtsausdruck hahahahahahahahahahahahahahahaha!!!!!
Zeitungsmitarbeiter: Gemein. Für nichts und wieder nichts bin ich Unglücksrabe aus der Wetterau angereist. Selbst in Interviews habe ich mit Frauen Pech.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Ooooooooooch, mein Armer! Das war doch nur ein Witz! Eine kleine Kostprobe adliger Scherzereien, wie wir sie im höfischen Kreis regelmäßig pflegen.
Zeitungsmitarbeiter: Ich bin aber kein Adliger!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Deshalb hast du den Gag auch nicht herausgehört. Schwamm drüber? Vergeben und vergessen? Büüüüütte, Thorsten!
Zeitungsmitarbeiter: Schwamm drüber, Alessa! Vergeben und vergessen! Aber meinste nicht, Indiana Jones oder James Bond wäre vielleicht doch spannender? Schwierige Schulkassen mit hohen Mobbingfaktor gibt's zuhauf. Damit lockt der Wetterauer Dorfpostillon keinen hinterm Ofenrohr hervor.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Abwarten. Jedenfalls setzte mit der Fähre eine Jahrgangsstufe 11 aus Aschaffenburg über. Lukas' Schicksal nahm unaufhaltsam seinen Lauf. Kaum angelegt hielten Zeus, Poseidon und Hades dem hessischen Boden betretenden bayerischen Oberstufenkurs aufdringlich ihre Opfergeldbüchsen vor die Nasen, während zwei nichtsahnende Lehrer kurz mit dem Fährmann schwatzten. Drei Mädels werden handgreiflich. Gerangel. Lautstarkes Wortgefecht. "Das werdet ihr büßen!!!!!", vernahmen wir Poseidons Fluchen. "Wir sind Zeus, Poseidon und Hades!!!!! Mit unbarmherzigem Dreizack werde ich morgen in Miltenberg eine Monsterwelle auslösen, 20 Meter höher als die 'Draupner-Welle', die eure grottenhässliche Stadt mit Links dem Erdboden gleichmacht!!!!! Und mein Bruder Zeus wird dazu gigantomanische Blitze schleudern!!!!!"
Zeitungsmitarbeiter: Achtklässler legen sich mit Elftklässlern an. Grenzt an Größenwahn.
Stiftsäbtissin von Ilbensadt: "Fre**e halten, Milchbubi!!!!! Oder ihr kriegt gleich von den Fischen ne kostenlose Schwimmstunde spendiert!!!!!", faltete ihn die Erste zusammen. "Freistil!!!!! Ohne Flossen!!!!!", präzisierte die Zweite.
Zeitungsmitarbeiter: Ohjeohje.
Stiftsäbtissin von Ilbensadt: Daraufhin Hades wutentbrannt zur Dritten: "Oooooooooooohhhhh, verstockte Kreaturen, dafür entführe ich DICH in die Unterwelt, als Zweitfrau neben Proserpina!!!!!" Doch seine Auserwählte hustete dem heiratslustigen Gott was: "Eyyyyyyyyyyyyyyy, nimm deine dreckigen Pfoten weg, du verpickeltes P*ssgesicht!!!!!" Patsch! Aua, das saß!
Zeitungsmitarbeiter: Ohjeohje.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Dann pfiff sie zwei aus dem Kurs herbei: "Michi, Tobi, kommt ihr mal? Dieser Vollhonk möchte unbedingt im Fluss seine Freischwimmerprüfung ablegen!"
Zeitungsmitarbeiter: Frauenzank zwischen Hera und Aphrodite?
Stiftsäbtissin von Ilbensadt: Dafür liebe ich dich, Thorsten! Per Fahrrad ab zum Olymp. Und auch wir ergriffen 2018 unsere Fortbewegungsmittel, schoben sie langsam durch Seligendtadts Klostergarten. Weiß noch. "Bloß nicht raufschauen, Süße!", warnte Mariella angsterfüllt, als ich urplötzlich, von finsteren Mächten binnen Bruchteil einer Sekunde willenlos gemacht, gleichsam einer an pechschwarzen Fäden gelenkten Marionette die in luftiger Höhe thronende Kuppelfigur tranceartig fixierte; als sei Luzifer höchstpersönlich mein mir jeden Augenblick erste Anweisungen erteilender Hypnotiseur. "Am Ende müssen wir inmitten der Herbstferien eine Klausur schreiben!"
Zeitungsmitarbeiter: Befürchte, nach dem Artikel brechen unsere Auflagenzahlen rapide ein.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Soll ich Amanda nochmal auf Lautstärke stellen?
Zeitungsmitarbeiter: Lass mal, Alessa, glaub's dir auch so.
Stiftsäbtissin von Ilbenadt: Ich weiß, Thorsten, der Erzähleinstieg, mega kompliziert. Reaktionsschnell schnappte Amanda mein E-Bike, Caislin das von Mariella, während letztere mich energisch fortschubste. Puuuh, nur mittels dieses Tricks gelang die Flucht aus dem diabolischen Einflussbereich. An der Prälatur angelangt, wo wie 2014 unsere Räder abermals ihren Stellplatz fanden, fiel der einstimmige Beschluss, vor dem uns blühenden Hauptteil noch einen Schlenker zum nahen Eisladen zu machen.
Zeitungsmitarbeiter: Mmmmmmmmmmmhhhhhh...Eis...lecker...würde jetzt am liebsten zehn dicke Kugeln Zitrone auf einmal essen. Jenseits der Schmerzgrenze wie Hanau-Münzenbergs Sonne brutal vom Himmel sticht.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Zu!
Zeitungsmitarbeiter: Wie zu?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Geschlossen. Na ja, als Trostpreis gab's statt stärkender Wegzehrung immerhin herrlichen roten Blumenschmuck am Haus. Egal. Also ungestärkt in die römische Zirkusarena hineinspaziert.
Zeitungsmitarbeiter: In Seligenstadt exisitert doch gar kein Amphitheater. Unter der heutigen Altstadt lag im 2./3. Jahrhundert nach Christus ein Römerkastell zur Mainsicherung, einschließlich einer kleinen Lagersiedlung drum herum.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Der Klostergarten, Thorsten! Der Klostergarten! Wo 2014 das unheimliche Spektakel unter johlendem Beifall sämtlicher Teufel stattfand. Panem et circenes für die Hölle.
Zeitungsmitarbeiter: Kein Wunder, dass die mich geschickt haben. So was tut sich kein seriöser Lokalreporter an. Und sie hört und hört nicht auf.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Übrigens, Thorsten, beinahe wäre der zentrale Akt des Dramas im allerletzten Moment ausgefallen. Unvorhergesehen geriet jetzt Caislin in den dunklen Sog eines zweiten Dämons. Sie war von der Prälatur mir nichts dir nichts davon geeilt. Suchen. Als wir sie entdecken, stiert die Bedauernswerte regungslos sowie kreidebleich zu einem dieser Standbilder empor, welche das Steingeländer zieren. Abwechslungsweise rütteln wir an ihren Schultern. Caislin ohne jegliche Rührung. Schweißperlen auf ihrer Stirn. "Was ist los, Süße? Sag's uns, wir flehen dich an, bitte, bitte, bitte sag's uns", wimmert Mariella, "vertrau uns, bitte, vertrau uns!" "Helft mir! Ich kann mein Gesicht nicht mehr von seinem lösen!", würgt Caislin verzweifelt hervor. "Schwarze Magie", fuhr ihre Stimme röchelnd fort, "Schwarze Magie zog mich gewaltsam an. Wie ein Magnet unnachgiebig Eisenspäne anzieht. Unfreiwillig vor ihm verharrend verspürte mein Magen schlagartig Heißhunger auf Weintrauben. Heißhunger, der den Verstand irre macht. Inständig bat ich darum, mir eine zu schenken, ehe qualvoller Hungertod mein grässliches Los ist." "Und? Hat er?", fragt Mariella hastig. "Zitternd streckte ich meine hungergeschwächten Arme aus, bettelte um ein christliches Almosen: 'Beim Heiligen Martin von Tours, der vor Amiens seinen Mantel mit dem frierenden Bettler teilte. Wer immer du sein magst, erbarm dich meiner! Um der Liebe Christi willen, gib einer armen Verhungernden etwas zu essen!' Da drehte sich das Bildnis schroff seitlich, schnarrte voller Verachtung: 'Blödes dämliches Ding! Kauf dir drüben auf dem Wochenmarkt selber welche!' Helft mir, Freundinnen, helft mir! Ich vermag meinen Kopf nicht von ihm abwenden. Er ist so streng, so eisern, so hart, so unerbittlich, so mitleidlos. Helft mir! Bitte! Ich spüre, Satan überträgt das Böse auf mich!" "Schnell, wir verschwinden von hier, zu horrormäßig das Ganze", haucht Mariella, "sorry, Mädels, war falsch, in längst Vergangenem rumzustochern." "Was ist mit Caislin?", gibt Amanda zu bedenken. "Unverantwortlich, sie alleine zu lassen! Mich überkommt bei dem Schüttelfrost!" Außerdem müssen wir unsere Mission erfüllen. Bis zum Schluss." Leuchtete ein. Beratschlagung. Vereint bugsierten wir Caislin weg, rüber zur Klostermauer. Dort trat zur allgemeinen Erleichterung alsbald vollständige Genesung ein. Krisensitzung. Beschluss: Amandas Ansicht übernehmen, folgende Erinnerungen aus gegebenem Anlass jedoch sicherheitshalber in gebührendem Figurenabstand memorieren.
Zeitungsmitarbeiter: Alessa, Zwischenfrage: Meine Kolumne soll demzufolge verklickern, dass im Seligentädter Klostergarten...ähm...ich drücke mich absichtlich behutsam aus...belebte Objekte psychologisch auf Jugendliche einwirkten?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Oh, mein Gott, Thorsten, willst du mein geliebter Ehemann sein? Nur du verstehst mich! JA! Dieses bei Blumen- und Pflanzenfreunden sehr beliebte Gartengelände ist brandgefährlich! Ich gehe nun in medias res.
Zeitungsmitarbeiter: Endlich.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Na, na, na, das will ich überhört haben! Spitz deine Lauscher und wechsele vorsichtshalber die Kugelschreibermine aus!
Zeitungsmitarbeiter: Bin soweit.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Irgendwann erreichte Klasse 8c erschöpft, trotz teurer E-Bikes, das ersehnte Ziel. Kaum eingetrudelt sprossen wildeste Gerüchte über konkrete Umsetzungen der vom Leier-Kastenmann im Vorfeld merkwürdigerweise nur unpräzise formulierten Lernziele. Wie gesagt, später mehr dazu. Während eine Minderheit verträumter Utopisten spekulierte, das Thema Klosterleben im Mittelalter bei fantastischem Sonnenschein anstatt in langweiligen Museumsräumen beziehungsweise einer noch langweiligeren Kirche im angesagtesten Eisladen dieser Stadt vollständig ausblenden zu können, argumentierte die dem gemäßigten Realismus angehörende Mehrheit, praxisbezogenes Lernen erziele angesichts solchen Bilderbuchwetters in Form gemütlichen Dösens im Klostergarten methodisch die besten Ergebnisse. Umso tiefer fuhr daher jedem der Schreck in die Knochen, als unser pädagogischer Superheld, glühender Verfechter des radikalen Desillusionismus, leidenschaftliches Debattieren jäh unterbrach und das offizielle Procedere freundlich seinem Kollegen, dem fiesen Ungelernt-Arbeiter, allen nur zu gut aus Mathematik und Physik bekannt, übergab, um mit der unpassend aufgebrezelten Referendarin schleunigst ohne zwei Dutzend verwirrt schauende Schüler zum von den Utopisten favorisierten, nur wenige Schritte entfernten Eis Kaiser weiterzugehen. Typisch, für verknallte Lehrer hatte der Laden geöffent, wie unfair!
Zeitungsmitarbeiter: Vergiss nicht, Alessa, ihr hatte euch vier Wochen im Datum vertan. Im September herrscht noch Saison, dann ist bis zum Frühling dicht.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Thorsten, mein Thorsten, was wäre ich nur ohne einen sooooooooo klugen Mann wie dich? Ok, ok, schnell fortfahren, bevor du mir vor lauter Röte auf dem Mainuferweg umfällst! Also. Dementsprechend stellten beide ihre besonders teuren Luxus-Hightec-Fahrräder an der Prälatur ab, verschwanden albern kichernd, gepaart mit heißen Blicken, rasant hinten durchs Klostertor, jeglicher Gedanke an potentiellen Zeitverlust beiden ein Graus. Damit schlug Herrn Ungelernt-Arbeiters Stunde. Er, der heute zum ersten Mal seit wir denken konnten keins seiner Markenattribute trug, Schirmmütze mit markanter Aufschrift NICARAGUA, daheim vergessen, plusterte sich großtuerisch auf, wie an der Tafel, schwafelte, nun an der Kasse die günstige Gruppenkarte erwerben zu wollen; weshalb sich bis zur Rückkehr niemand vom Fleck rühren dürfe. Zehn Minuten verstrichen. Vom Ungelernt-Arbeiter nix gesehen nix gehört. Zwanzig. Sinnloses Rumstehen. Dreißig. Gähnende Langeweile. Woraufhin ich als verantwortungsbewusste Klassensprecherin trotz anderslautender Anweisung eigenmächtig beschloss, an der Museumskasse den Grund dafür herauszufinden.
Zeitungsmitarbeiter: Du warst Klassensprecherin, Alessa? Kompliment! Eine verantwortungsvolle Aufgabe.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Vertrauenssache. Werden nur die Fähigsten und Beliebtesten. UND, nicht zu vergessen, Glaubwürdigsten. Umsichtiges seriöses Regieren ist schon früh meine Berufung gewesen. Quod erat demonstrandum.
Zeitungsmitarbeiter: Und dich stellen sie als verdorbene Dilettantin hin. Oooooooooohhhhh...ich könnte...ich könnte...ich...könnte...ich könnte...
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Thorsten, bitte, dein Blutdruck. Doch nicht wegen so ner Baggage. Hör mir einfach weiter zu.
Zeiungsmitarbeiter: Danke, Alessa, du bist unendlich fürsorglich. Pah, das wär's noch, wegen so Pack ins Krankenhaus. Erzähl, was ging ab an der Kasse?
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Wollte soeben los, als wir zu Tode erschrocken, vor Entsetzen gelähmt an unserem Verstand zweifelten. Aufgerissene Augen. Aufgerissene Münder. Panisches Geschrei. "Eine Halluzination!!!!!" "Sie kommt direkt auf uns!!!!!" Thorsten, ich schwör's dir. So wahr mir Gott helfe. Vom Museumeingang hüpfte uns ein Zwerg entgegen. Jedoch nicht aus Fleisch und Blut! Vielmehr vollständig aus Stein! Gleichsam einer dieser kleinen Knabenfiguren ringsum, die nun zum Leben erwacht ist.
Zeitungsmitarbeiter: Du meinst, ein Putto oder Putte. In der Barockkunst häufig anzutreffen.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Ja, genau. Vielen Dank! In der linken Hand trug der Putto ein großes verziertes Schutzschild. Mit der Rechten winkte er der 8c unübersehbar zu, als ob hochgradig wichtige Mitteilungen bevorstünden. Kaum hatte das spärlich bekleidete Wesen die Gruppe erreicht, verscheuchte es als erstes jene Verstörten, welche sich unlängst oben auf der Balustrade die besten Faulenzerplätze gesichert hatten, mit der brüsken Aufforderung "Fort da mit euch!", nahm Anlauf und sprang schwungvoll aufs Geländer. Nachdem die bedenklich schwankende Jungendarstellung wider Erwarten doch noch ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, präsentierte sie sich auf ihrem Podest vor sprachloser Menge in demonstrativ besserwisserischer Pose. Hätte glatt meinen können, ein Lehrer.
Zeitungsmitarbeiter: Alessa. Große Stiftsäbtissin. Excuse-moi. Ich muss Abbitte leisten. Mann, die Leute werden unser Blättchen den Zeitungsausträgern buchstäblich aus den Fingern reißen. Fettgedruckte Überschrift auf der Titelseite: Aus dem Leben einer ehemaligen Klassensprecherin. Angelehnt an Joseph von Eichendorff Das wird genial!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: In diesem Moment, Thorsten, änderte sich wie auf Knopfdruck die Farbe seines steinernen Baumaterials, und der Putte begann, für alle Betrachter wahrlich einem Wunder gleichkommend, unter unnatürlich blauem Himmel in ebenso unnatürlichen Rottönen zu leuchten. Sarah drehte durch: "Hiiiiiiillllfeeee, Mamiiiiii, hab plötzlich eine 'Rot-Blau-Schwäche'!!!!!!" Des Weiteren hoben sich seine Körperkonturen dermaßen scharf von dem sie umgebenden Himmelsblau ab, sodass 99,99% steif und fest behaupteten, jene Kindergestalt sei niemals real, sei in Wirklichkeit aus Kartonpapier sorgfältig herausgeschnitten, bemalt, dann auf das Firmament geklebt worden. Kai witterte DIE Gelegenheit, Influencer zu werden: "Schnell, schnell, das müssen wir unbedingt für 'Youtube' festhalten!", frohlockte "Jaaaaaaaaaaaaaaa!!!!! Mit 14 Milliardär!!!!! Miami Beach, ich komme!!!!! Halleluja!!!!!", irre im Kopf, betäubt vom Glanz dieser seine Vorstellungskraft übersteigenden Farbeneffekte; und noch im selben Augenblick sah die surreale Erscheinung stolz vierundzwanzig neueste Smartphonemodelle gierig auf sich gerichtet, erbittert darum konkurrierend, den Sensationsauftritt optimal einzufangen; wobei deren Besitzer zugleich vor Mitleid teils hemmungslos schluchzten teils erfolgreich gegen Tränenströme ankämpften, weil dem Umjubelten zwei rechte Finger fehlten. Was nicht unbemerkt blieb. "Ach, ihr lieben Kinderlein, Gott lass euch immer selig sein. Wenn ihr wüsstet, was mir widerfuhr." "Was ist dir armen Geschöpf denn nur passiert?", heulte Miriam verzweifelt. "Weh und Ach! Mein Unglück ereignete sich während der 'Schlacht bei Dettingen', stattgefunden am 27. Juni 1743 unweit von Seligenstadt. Ich bin nämlich uralt, müsst ihr wissen, erlebte vieles in der Welt. Anno 1743 in treuen Diensten der britischen Armee, wo man mich aufgrund meiner Kleinwüchsigkeit als idealen Kundschafter verwendete, erteilte Seine Britannische Majestät König Georg II. vor Beginn der Bataille persönlich mir Befehl, auf vorgeschobenem Beobachtungsposten den gegnerischen Aufmarsch auszuspionieren. Mit auf dem Feldzug auch der weltbekannte Komponist Georg Friedrich Händel, nicht als Soldat, sondern als musikalischer Truppenbetreuer. Kühn unterwegs zu den Franzosen erkannte mein Späherblick schockiert, wie Händel, vollkommen leichtsinnig und naiv, auf das vom Feind einsehbare Gelände spazierte. Ihm, dem Musiker, der zwar unendlich viel vom Notenschreiben aber nichts von Schlachtfeldern verstand, war nicht einmal ansatzweise bewusst, in welcher Lebensgefahr er schwebte. 'Mister Handel, Mister Handel, for God's sake!!!!! Go back to the King!!!!! It's very dangerous for you here!!!!!', versuchte ich noch zu warnen. In diesem Moment eröffnete französische Artillerie überraschend das Feuer. Kalkweißen Gesichts erblickte ich eine direkt auf Englands großen Sohn zufliegende Kanonenkugel. Torwart gleich hechtete ich 'Nnnnnnnnoooooooooooooooooooo!!!!!' kreischend seitwärts, stieß mit linker Hand das begnadete Genie zur Seite, lenkte mit rechter Frankreichs Eisenball knapp vorbei. Millimeterarbeit! Händel gerettet! Ich allerdings büßte durch das Geschoss zwei Finger ein. Als Dank für erfolgte Rettung komponierte er das 'Dettinger Te Deum'. Die manipulierte Musikwissenschaft verkauft euch das Märchen, des Meisters Werk preise den Sieg der Verbündeten über Ludwig XV.. Papperlapapp! Alles Lüge! In Wahrheit preist Händel, vor sicherem Tod bewahrt, darin Gott für meine glorreiche Heldentat. Und ich erhielt vom strahlenden Georg II. nachträglich dieses Schild als Auszeichnung mit den Worten überreicht: 'Very well done, Sir! God bless you!' Bei meiner Ehr: Meine verkrüppelte Hand aufs Herz!" Und, Thorsten? Was denkt der routinierte Fachmann?
Zeitungsmitarbeiter: Ich glaub, ich brauch nen Schnaps. Baron von Münchausens Ritt auf der Kanonenkugel - ein Sch**ßdreck dagegen! Alessa, ich versprech's dir, hoch und heilig, unseren Zeitungausträgern entreißen werden sie den Wetterauer Dorfpostillion.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Ganz deiner Meinung, Thorsten. Wirst durch mich neuer Chefredakteur bei euch. Aber der Reihe nach. Nachdem es dem hKriegsveteran strategisch gelungen war, sowohl den optischen Überraschungs- als auch den emotionalen Miteideffekt vollständig auf seiner Seite zu haben...VERDA**T NOCHMAL, IHR EMOTIONALEN SCHWÄCHLINGE!!!!! HAT EUCH EIGENTLICH SCHON MAL JEMAND IN DEN MAIN GEWORFEN????? EURE VERHEULTEN VISAGEN, IGITT, WIE IHR AUSSEHT!!!!!
Diener 2: Wir schämen uns unserer Tränen nicht, allergnädigste Herrin. Beklagenswertes Kerlchen! Bis zum Lebensende kriegsverehrt!
Diener 1: Genau. Auch ein Indianer kennt Schmerz.
Diener 2: Moderne emanzipierte Männer zeichnen sich ganz besonders dadurch aus, ihr inneres Bedürfnis zu weinen öffentlich zuzula...
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: SCHMEISS SIE IN DEN FLUSS, THORSTEN!!!!! SCHMEISS SIE IN DEN FLUSS!!!!! ANSONSTEN TU ICH'S!!!!! OOOOOOOOOOOOHHHHH...ICH KÖNNTE...ICH KÖNNTE...ICH KÖNNTE...ICH KÖNNTE...
Zeitungsausträger: Alessa, liebe Alessa, Zorn ist keine Lösung! Denk auch an deinen Blutdruck! Am Ende kippst du mir mitten auf dem Mainuferweg um, und ich muss dich zurück ins Rumpenheimer Schloss tragen! Alessa, mein Gott, du wirst ja ganz rot!!!!!
Stiftsäbtissin von Ilbentadt: Haaaaaaaaaaaaaaach, wiiiiiiiiiieeeeeeeeee gerne würde ich mich jetzt ohnmächtig in Thorstens superstarken Armen tragen lassen! Cruels dieux, die Pflicht als Geschichtenerzählerin! Wo war ich nochmal stehengelbieben? Hahahahahahaha, hatten wir das nicht schon mal?
Zeitungsmitarbeiter: Dieser ehemalige Soldat.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Déja vu, hahahahahahahaha!!!!! Den letzten Satz kaum beendet änderte Händels Lebensretter abrupt sein Verhalten, wechselte unvermittelt vom warmherzigen sympathischen Stimmlein in einen barschen, abweisend kalten, roboterähnlichen Tonfall. Zugleich erlosch blitzartig das Farbenlicht, wie per Schalter ausgeknipst, und die Statuette kehrte zu ihrer ursprünglichen Steinfarbe zurück. "Gefälligst herhören, ich wiederhole mich nämlich nicht gern!!!!!", überrumpelte König Georgs einstiger Auskundschafter verbal das um ihn herum versammelte Auditorium, ergötzte sich hämisch grinsend an unserem irritierten Zusammenzuckenden. Ich überlege noch reflexartig: "Hä? Ist der Typ Lehrer?" Prompt legt er los: "Auch wenn's euch nen feuchten Kehricht angeht. Euer Mathematik- und Physiklehrer hat an der Museumskasse zufällig seine Jugendliebe getroffen, und beide wollen, wie euer Geschichtslehrer und die Referendarin, nun ebenfalls beim 'Eis Kaiser' über interessante Dinge plauschen. Soweit dazu. Vorher fiel ihm jedoch schreckartig ein, dass er gestern leider vergessen hatte, mit euch in Physik die erste unangekündigte Lernkontrolle zu schreiben." "Hahahaha, doof wie er ist", lästerte Luca. "Und danke für die Info, Steinmännchen, jetzt können wir toll lernen!"
Zeitungsmitarbeiter: Hähähähä, verplappert. Putten sind auch nicht die Allerhellsten.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Denkste. "Werd hier nicht frech!!!!!", tobte die Skulptur. "Sonst lernst du mich kennen!!!!!" Zur Unterstreichung nahm sie ihre rechte Hand an die linke Schulter und vollführte damit eine einschüchternde Geste, wie wenn Luca gleich vor allen eine gescheuert bekäme. "Freut euch nicht zu früh. Aufgrund sehr glücklicher Umstände befanden sich aber die Testblätter in seinem Ausflugsrucksack. Da es für ihn übermorgen mit der Jahrgangsstufe 13 auf Abschlussfahrt geht, erkundigte er sich bei den an der Kasse Anstehenden, ob einer der Wartenden zufälligerweise studierter Physiker sei. Als Studienrat mit genau der selben Fächerkombination bot ich ihm freundlich kollegiale Hilfe an, worauf mir dankbar und erleichtert die Aufgabenstellungen aushändigt wurden. Los, los, zack, zack, Bewegung! Stifte raus! Ich verteile nun jeweils zwei Testblätter, beim ersten handelt es sich um Farbkopien. Ihr seht darauf eine 'Flache Zinnie'. Für alle, deren Lebensinhalt aus 'Social Media' besteht: Das ist eine Blume. Auf dem Zweiten findet ihr die dazugehörigen Fragen. Leute, wer ans Abschreiben denkt, ist bei mir schief gewickelt. Damit keiner unerlaubt spicken kann, gibt's nämlich Farbkopie A, B, C und D, auf Deutsch: vier verschiedene Exemplare. So. Arbeitsanleitung: Schaut euch die Abbildung eingehend an. Im Anschluss wendet ihr die von Lindblad&Oort 1926/27 entwickelte astrophysikalische Theorie zur differentiellen Rotation der galaktischen Scheibe, derzufolge alle Bewegungen auf Kreisbahnen um das galaktische Zentrum Z stattfinden, auf das kreisförmige Blütenzentrum der flachen Zinnie an.
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Zeitungsmitarbeiter: Alessa, du lagst absolut richtig mit deiner Vermutung.
Stifitsäbtissin von Ilbenstadt: Kein Hexenwerk, Thorsten. So reden nur Lehrer daher. Labersprüche, um sich Respekt zu verschaffen. Und ehe die völlig konsternierte 8c nach diesem aus heiterem Himmel niedergeprasselten verbalen Wolkenbruch auch nur mit den Wimpern zucken konnte, hatte deren neue Lehrkraft bereits alle an der Innenseite ihres verzierten Schutzschild versteckten schriftlichen Wissenstandsüberprüfungen ausgegeben. Hier, Thorsten. Aufgaben samt Kopien. Selbstverständlich fotografierte jeder heimlich ab, sicherheitshalber, schließlich ist Tabeas Vater Jurist.
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8c 15.09.2015
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Unangekündigte Physiklernkontrolle Nr. 1 / Thema: Astroblumenphysik
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1. Berechne die exakte Position, die man in der Milchstraße wählen muss, damit ein von dort ausgehender galaktischer Sehstrahl der Länge l sowohl durch das galaktische Zentrum Z als auch den botanischen Mittelpunkt M des Zinnienzen- trumsverläuft, und sich dabei die von einem Stern P mit der Kreisgeschwindigkeit V im Abstand R von Z beschriebene galaktische Kreisbahn sowie der botanische Kreisrand der Zinnienzentren genau überlagern.
2. Entspricht darüber hinaus am Positionsstandort des ausgehenden Sehstrahls l der Abstand des Zinnienzentrums zur Sonne Rz in Relation dem unter Beachtung einer angenommenen Unsicherheit von 15% mit Ro = 8.5 kpc angegebenen Ab- stand von Z zur Sonne? Begründe astroblumenphysikalisch deine Meinung.
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Viel Erfolg!
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Zeitungsmitarbeiter: Mein lieber Schwan. Sauschwer. Würde mit Pauken und Trompeten durchfallen, bin dafür schon zu lange raus aus der Schule. Hoffentlich bekomme ich jetzt nachts keine Albträume: Kassiere in Physik eine 6 und muss als einziger die Klasse wiederholen. Alle hänseln mich deswegen: "Sitzenbleiber, Sitzenbleiber!" Wache schweißgebadet auf.
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Meine Rede, Thorsten. Fanden wir auch. Deswegen Beweisfotos. Widerspenstiges Tuscheln. "Sie haben wohl heute morgen zum Frühstück den Seligenstädter 'Geleitzuglöffel' geleert!!!!!", schimpfte Tabea entrüstet. "Das ist Stoff für die Uni. Eindeutig. Den dürfen sie gar nicht abfragen!!!!! Mein Vater ist Rechtsanwalt!!!!!" Daraufhin konterte unsere Vertretung mit knallhartem Autoritätsbeweis: "Ruhe auf den billigen Plätzen!!!!! Leute, ich warne euch: Ich fackle nicht lang rum!!!!! Dann macht's kawumm!!!!! Aber wie!!!!! Ich kann auch andere Saiten aufziehen!!!!! Dann gnade euch Gott!!!!! Diese Lernkontrolle ist geschenkt!!!!! Und damit die Verhältnisse klar sind: Wer mir schlechter als 4- schreibt, erhält eine kostenlose Wiederholungsrunde!!!!! Übrigens, sämtliche Zinnienbilder bekomme ich nachher wieder zurück!!!!! Und wehe, einer kritzelt drauf rum!!!!! Wisst ihr, wie teuer Farbkopien sind????? Die verwende ich noch für andere Klassen!!!!! Denkt ihr verwöhnten Internetkids, ich hab im Lotto gewonnen?????" Siiiiieeeeehst du, Thorsten, guuuuuuuuuuuuuuuut, dass wir die Aufnahmen besaßen. Der wollte Indizien verschwinden lassen, wohlweislich, damit mögliche Klagen erfolglos bleiben. Thorsten? Thoooorsten?? Thoooooooorsten????? OH GOTT, BRAUCHST DU EINEN ARZT????? DU JAPST JA NACH LUFT!!!!! FASST AN DEINE BRUST!!!!! BLICKST VÖLLIG ERSCHÖPFT DEN MAINUFERWEG ZURÜCK!!!!!
Zeitungsmitarbeiter: Aleeeeessaaaaa, drückende Hitze, gewöhnungsbedürftiger Absolutismus, ungewohnte Kleidung, panische Horrorvorstellung, dass meine Zopfperücke Feuer fängt, dein drastischer autobiografischer Bericht, die Gefühle, die Nerven, Alessa, mein Herz, die Grafschaft Hanau-Münzenberg und das Stiftsgebiet Ilbenstadt sind einfach zuuuuuuuuuuuuu viiiiiiiiiiieeeeeeeeeeel für mich!!!!! Aleeeeessaaaaa, bin kaputt, fix und fertig, alle, frage mich, wie ich überhaupt die Strecke vom Schloss bis hierher lebend geschafft habe. Aleeeeeeeeeessaaaaaaaaaa, hiiiiiiilff mir!!!!! Das ist alles ein paar Nummern zu grooooooooooooooooooß für mich!!!!! Bin doch nur ein Niemand!!!!!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Bonté du ciel! Er weint. Das schöne Puder-Make-up zerläuft. Seine Emotionen töten ihn. Noch so ein Mann von der Sorte.
Zeitungsmitarbeiter: AAAAALLLLLEEEEEEEEEEEEEEESSAAAAAAAAAAAAAAA!!!!!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Ruhig Blut, Thorsten. Denk an deinen Blutdruck. Oder planst du, dass ich gleich für dich Mein junges Leben hat ein End anstimmen muss? Ist das eventuell deine wahre Absicht?
Zeitungsmitarbeiter: Nooooooooooooon, je veux toucher aussi le clavecin. Pour toooooiiiii!!!!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: TU VEUX QUOI?????
Zeitungsmitarbeiter: Marco Antonio Cavazzoni, Madame vous aves mon cuor! Aleeeeeeeessaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!!
Stiftsäbtissin von Ilbenstadt: Du benötigst unverzüglich Ruhe, Thorsten. Bevor dich in Rumpenheim noch der Hitzschlag trifft. Und ja, allmählich empfinde ich es unter meinem Nonnengewand ebenso unerträglich. Ein lauschiges schattiges Plätzchen direkt am Wasser wird uns beiden gut tun. Auch hochgestellte feudale Herrinnen wissen Abkühlung zu schätzen.
Der Projektausflug

Während Herr L. und Fräulein T. nach beim weit über Seligenstadts Stadtgrenzen hinaus bekannten "Eis Kaiser" genossenen köstlichsten Spezialitäten inzwischen mit einer stattlichen Anzahl Eiskugeln in der Waffel als Wegproviant versorgt tur-telnd zum Mainufer hinüberschlenderten, von welchem aus der grand Charmeur alter Schule die neue, hübsche Referendarin anschließend ins teuerste Restaurant am Platz entführen wollte, um dort in gediegenem Ambiente mit seinem Repertoi-re an Kavalierskünsten stolzen Auerhähnen gleich balzend das wesentlich jünge-re Ding noch mehr beeindrucken zu können, und Herr U. vermutlich zeitgleich bei seiner großen Jugendliebe aus besseren Zeiten dieselbe Tour probierte, hatte die kleine, nun wieder in ihren normalen Farbtönen agierende Barockfigur vom Geländer herab 28 niedergeschlagen wirkenden Schülern kopfschüttelnd sowie kommentarlos ihre unagekündigten Lernkontrollen korrgiert zurückgegeben. An-schließend war sie vom Podest, diesmal etwas geschickter, hinabgesprungen und wieder Richtung Museumseingang davongehüpft, nicht ohne vorher zu erwäh- nen, dass sich alle nach einer fünfzehnminütigen Pause unbedingt an der großen Steinvase vor dem Chor für den Wiederholungstest bereithalten sollten.
Großzügig zugestandene 15 Minuten waren angesichts des nervlichen Kollabie-rens dreier begnadeter Mathematik- und Physikgenies auch dringend notwendig geworden, hatten diese sich doch nach Erhalt ihrer mehr rot als blau gefärbten Testblätter unter Krämpfen tobend wie von Sinnen auf dem vom Ort der Rückga-be zu einer großen schweren Steinvase führenden Weg entlanggewälzt sowie dabei mit geballten Fäusten selbst gegen die eigene Stirn geschlagen. Schließlich versuchten sie in einem Anfall rasender Wut, das historisch bedeutsame Monu-ment gemeinsam umzustoßen; ausgerechnet jene drei Rechentalente, die bei der unangekündigten Lernkontrolle innerhalb der Gruppe als einzige überhaupt zu ir-gendwelchen Fixierungen auf Papier im Stande gewesen waren.
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Nachdem die fürsorgliche Klassensprecherin die Traumatisierten eingermaßen beruhigen konnte, wurden sie, von jeweils zwei Mitschülern gestützt, zu einem schattigen Baum gebracht, wo man ihnen mit Hilfe zurückgegebener Testblätter Kühlung zufächerte. Während dies so geschah, diskutierte die Klasse erregt über das schockierende Abschneiden der Genies, bei denen selbst die seit drei Jahren in ungebrochener Serie folgende Note 1+ niemals auch nur ansatzweise zur Wiedergabe ihres Könnens ausgereicht hatte.
Und solch junge Mathematik- und Physikprofessoren, gefeierte, bejubelte, regel-mäßig von hochrangigen Magistratsmitgliedern empfangene Aushängeschilder des örtlichen Astronomievereins, in der Klasse 8c zudem von sämtlichen Schülern zitternd als strahlende Zahlengötter kultmäßig verehrt, mussten sich, ach, welche Tragik, mit dem höchst unliebsamen Tatsachenbestand arrangieren, völlig falsche Lösungen abgegeben zu haben. Unglücklicherweise war es ihnen nämlich wäh-rend wichtiger integraler Gleichungen wirklich passiert, dass die bei Rz infolge häufig schwankender Windbewegungen im Klostergarten ebenfalls mit einem Faktor von 15% zu beachtende Unsicherheit nicht einmal ansatzweise Berück-sichtigung gefunden hatte, weshalb sie daher mit einer 5+ sogar noch zufrieden sein konnten. Sicherlich nicht ohne Grund bangten alle drei jetzt darum, auf der nächsten Vereinssitzung als nunmehr stark angerostete Vorzeigetrophäen gemaß-regelt, schlimmstenfalls sogar durch neue, aufstrebende, glänzende Junggalions-figuren ausgetauscht zu werden.
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Die von allen wegen stets großer Fürsorglichkeit bewunderte Klassensprecherin wollte sich gerade mit den unter dem schattigen Baum immer noch nach Luft jap-senden gescheiterten astronomischen Nachwuchshoffnungen zum plätschernden Springbrunnen begeben, um für raschere Genesungsprozesse dessen kühlende Effekte mittels Anwendung gezielter Spritzer zu nutzen, als die 8c infolge des jäh zum Pausenende ertönenden Gongs erneut in Aufregung versetzt wurde. Zusam-men mit einem von der Spitze der Vierungskuppel kommenden, dem Schlag he-rausfliegender Sicherungen ähnelndem gewaltigen Knall, so laut, dass selbst ge-rade zufällig dort oben vorbeifliegende Wolken es vor Angst für ratsam hielten, möglichst schnell im Schutz sicherer Luftgefilde Zuflucht zu suchen, erstrahlte die nähere Umgebung plötzlich in einem von der auf der Dachspitze angebrachten goldenen Figur ausgehenden rötlichen Glanz. Er ähnelte von seinem Farbton her verblüffend dem der kleinen Barockfigur, übertraf diesen aber dennoch bei wei-tem an Strahlitensität.
Doch als ob derartige Lichtphänomene nicht schon spektakulär gewesen wären, begann sich die bislang in statischer Trägheit verharrende Figur plötzlich mecha-nisch zu bewegen, wobei sie den geblendet ihre Hände gegen das Licht halten-den Schülern freundlich, aber trotzdem mit erhobenem Zeigefinger zuwinkte. Um das gesundheitliche Wohl jedes einzelnen Mitschülers äußerst beunruhigt, sprach die Klassensprecherin daraufhin zur Lösung des akuten Blendproblems sofort dringende Empfehlungen aus, umgehendst jene von ihnen mitgenommenen Son-nenbrillen aufzusetzen, woraufhin kurze Zeit später 56, vom Anschaffungspreis recht kostspielig gewesene Gläser zum Himmel emporblickten. Und während so-mit alle Klassenmitglieder dank eines genialen Einfalls endlich blendfrei nach oben schauen konnten, wobei sämtliche Augen gebannt ständig hin und her pen-delnden Zeigefingerbewegungen folgten, wurden sie zunehmend von sehr wohli-gen, aus Herrn U's. Unterricht bereits gut bekannten Schäfrigkeitsgefühlen über-wältigt, deren Verlockungen man sich auch hier liebend gerne hingab.
Was ist das nur schon wieder für ein wunderschöner Glanz?, murmelten alle fra-gend, völlig von süßer Trance benebelt, mit eigentlich zum Dösen auf der günen Rasenfläche beziehungswiese Verstärken eigener Lässigkeit vor dem "Eis Kaiser" mitgenommenen Sonnenbrillen die Blicke gen Himmel gerichtet. Und schnell kam dabei einer dieser spärlich gesäten Augenblicke gedanklicher Einigkeit auf: Ja, selbst bei ihrer legendären Klassenfahrt 2014, als sie mit der Jennerbahn sechs Stunden lang den gleichnamigen Berg hinauf und wieder hinabgegondelt waren, um das teure Tagesticket optimal zu nutzen, hatte oben in 1874 Metern Höhe der Schnee trotz aufsitzender teurer dunkler Markenbrillen nicht so fantastisch ge-blendet wie jetzt Seligenstadts zweites Lichtwunder voll überwältigender Pracht.
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Je weiter sie sich nun umfangen vom alles umfassenden, alles durchdringenden rötlichen Schein benebelnden Trancezuständen hingaben, desto drastischer glitt die Szenerie für nicht wenige 8c-ler ins Surreale ab. Vor ihnen tauchten wirre Bil-der auf, und bald schon glaubten einige, die sich für moderne Kunst interessier-ten, Salvador Dalis brennende Giraffe schwebe gerade in Wolkengestalt entsetzt von der Kuppel fort. Andere, aus gut katholischen Elternhäusern kommende Ju-gendliche wollten daheim anrufen, um außer sich vor religiöser Extase über eine gerade in der Einhardstadt stattfindende Marienerscheinung zu berichten, welche sie hoch oben auf dem Vierungsturm zu erkennen glaubten; jedoch kamen ihnen hierbei beim Smartphone zücken zwei nach eher rationalen, wissenschaftlichen Erklärungen suchende Mitschüler zuvor.
Ey, bleibt locker, Leute, das wird bestimmt nur ein genialer Zirkusartist oder Ro-boter sein!, rief Matthias, der nach 10 Minuten als erster wieder aus dem von gleißenden, sinnesberauschenden, rötlichen Lichtphänomenen begleiteten Hypno-sezustand erwachte, nachdem alle von der Kuppelfigur durch lautes Händeklat- schen wieder zur Rückkehr in normale Bewusstseinszustände aufgefordert wor-den waren. Ja, du hast Recht. Los, lass uns die Kuppel hinaufsteigen und heraus-finden, was da oben genau los ist! Es muss nachvollziehbare, logische Ursachen dafür geben!, meinte daraufhin Fabian, der gerade ebenfalls wieder am Aufwa- chen war, seinem Klassenkameraden eifrig zunickend.
Und schon eilten beide voller Forschungsdrang in jene Kirche hinein, die ihnen vorhin zum Wissenserwerb noch viel zu kalt und unbeheizt erschien (was einmal mehr verdeutlicht, wie schnell Meinungen sich ändern können), um dort mit dem alten Türschlosstrick den fest verschlossenen Treppenhauszugang des Vierungstur- mes zu öffenen. Leider hatten sie beim Versuch jedoch das unsägliche Pech, vom Pfarrer überrascht und mit den Worten Na wartet, ihr Lausbuben, euch werde ich helfen! schneller als man gerade in die Basilika hereingekommen war jetzt auch schon wieder aus dieser hinausgejagt zu werden.
Folglich kehrten sämtliche Expeditionsteilnehmer zur Basis zuück, ohne die Rätsel um das eben hautnah erlebte Ereignis überragender optischer Kraft gelöst zu ha-ben, und dieses neuerliche Misserfolgserlebnis binnen nur kurzer Zeit führte nun dazu, dass alle Schüler wieder in ihre niedergeschlagene Stimmung fielen und in zermürbenden sowie auf emotionalster Ebene geführten Diskussionen, welche au-ßer Tränenströmen leider keine sichtbaren Ergebnisse lieferten, weiter über mög-liche Ursachen erlebten Scheiterns göttlicher Wesen stritten.
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Und während alle eifrig redeten, kam es den Schülern plötzlich so vor, als ob je-ne Stimme, die sie eben hoch oben vom Himmel herab aus dem Schlaf gerissen hatte, erneut mit ihnen zu reden begann, sprechend: Oh fürchtet euch nicht, liebe Kinder! Denn seht, ich verkünde euch eine frohe Botschaft! Schluchzend entgeg-nete daraufhin eine von gerade stattgefundenen Gefühlsausbrüchen sichtich ge-zeichnete Klassensprecherin: Aber wie soll das nur zugehen, da wir eben alle-samt in der Astroblumenphysik versagt haben und uns über nichts mehr feuen können? Selbst unsere strahlenden Götter scheiterten im Test kläglich, weshalb wir von großer Mutlosigleit ergriffen sind, und keiner derzeit wirklich weiß, wie es weitergehen soll.
Oh, ihr verblendeten Götzendiener, wehe euch!!!!, dröhnte die Stimme daraufhin streng mahnend auf die Schüler hernieder. Habt ihr denn nicht im Religionsunter-richt gelernt, dass euch durch das Anbeten grässlicher Trugbilder der Eingang ins Himmelreich für ewige Zeiten verschlossen bleiben wird? Sagt, wie lange also wollt ihr noch die endlose Liebe des Herrn weiter herausfordern, bis er euch spä-ter umso härter dafür strafen wird? Seht sie euch an, eure Götter, denen ihr auf drei Götzenaltären in den Ecken des Klassenzimmers tagtäglich Geld, Eintrittskar-ten oder Süßigkeiten opfert, damit sie ja gnädig gestimmt vor jeder Mathematik- und Physikarbeit für Herrn U. unauffindbare Spickzettel herstellen! Und dennoch reicht es trotz großspurigster Versprechungen für jeden von euch dann höchstens für eine 4-. Allerhöchstens. Ha! Seht jetzt ihre Schwachheit! Seht, wie sie sich nach ihrer aufgrund grober Nachlässigkeiten selbst verpatzten unangekündigten Lernkontrolle von euch klammheimlich im Garten absondern, denn unerträglich ist die Erkenntnis, wie der Herr jeden einzelnen im Zorn mit einem einzigen Fin-gerschnippp vom Sockel gestoßen hat! Dazu lese ich bei Paulus, Epheser 5, 6f.: Niemand verführe euch mit leeren Sprüchen, denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Werdet also nicht zu ihren Genossen!
Aber seid getrost, liebe Kindlein, schallte es unermüdlich weiter fort, bei Gott ist auf der Erde bekanntlich kein Ding unmöglich, und daher erhalten alle jetzt von mir den vorhin bereits angekündigten Wiederholungstest, damit ihr euren Eltern doch noch heute von einem erfolgreichen schulischen Wissenserwerb berichten könnt. Halleluja, preiset den Herrn!!!
Amen, Amen, ja, preiset den Herrn!!!, frohlockten sämtliche Schüler angesichts dieser Worte jauchzend wie aus einem Mund, worauf die nicht nur fürsorgliche, sondern auch um das Seelenheil aller Anwesenden äußerst besorgte Klassenspre-cherin Paulus folgend auf der Stelle mutig entschlossen den alten Götzenglauben beendete: Benjamin! Pascal! Jonathan! Hiermit seid ihr von der Klassengemein-schaft für immer ausgeschlossen! Fortan könnt ihr in den Pausen alleine als Götter um das Schulgebäude ziehen und dabei zusehen, wer euch mit frischen Palm-zweigen den Weg vorneweg kehrt. Eure drei Götzenaltäre werden wir übrigens niederreißen sowie ab jetzt für unser Taschengeld selber mit leckeren Bonbons, Lutschern und Kaugummis ins Kino, zu Sportveranstaltungen oder zum Eislaufen gehen. Nur damit ihr es wisst! Ach...ich vergaß: Vielleicht ist ja die 8a dumm genug und glaubt eurem Mythos von genialen Spickzetteln, welche garantiert ei-ne 1 oder 2 bringen.
Unter tosendem Applaus wandte sich daraufhin der vollständige Klassenverband kurzerhand von seinen bisherigen Idolen ab und versammelte sich auf Geheiß der Kuppelfigur genau an jener Steinvase vor der altehrwürdigen Basilika, wo zuvor die nun entlarvten Scharlatane geistig schwer umnachtet randaliert hatten. Dort erfuhr er aus luftiger Höhe, dass es sich bei der Figur in Wirklichkeit um ei-nen in Harvard studierten sowie dort auf dem Gebiet der differentiellen galakti-schen Rotation des interstellaren Wasserstoffs promovierten Astrophysiker handel- te, der vor seinem Quereinstieg in den hessischen Schuldienst für die NASA in Cape Canaveral bis zum Ende des Shuttleprojekts als Raketenforscher tätig ge-wesen war und nebenberuflich für Disneyland Orlando jeden Sonntag als Pre-diger gearbeitet hatte. Von ihm empfingen 28 Schüler nun gläubig ihre zweite große Chance.
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Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob drei verschiedenfarbige Chrysanthemen zu mehr Erfolg führen werden, begann der Havardabsolvent mit seinen Erläuterun-gen zum Wiederholungstest. Und kaum ausgesprochen, flatterten den Schülern vom Himmel auch schon die ersten Aufgabenblätter entgegen, wobei viele gierig ihre Hände nach den Flugobjekten ausstreckten; so wie sie es jedes Jahr beim Karnevalsumzug ebenfalls taten, wenn fröhlich lachende Prinzenpaare mit unzäh-ligen Küsschen noch unzähligere Kamellen vom Wagen unter das sehnsüchtig milde Gaben erwartende Volk warfen.
Nachdem die Blätter alle Empfänger sicher erreicht hatten, gab ihnen der ehema-lige NASA-Mitarbeiter nach weiteren erklärenden Hinweisen abschließend einen besonders wichtigen Rat mit auf den Testweg: Und lest euch dieses Mal vor allem die Aufgabenstellung gründlich durch!
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8c 15.10.2015
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Wiederholung der unangekündigten Physiklernkontrolle Nr. 1
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Entlang einem Sehstrahl der galaktischen Länge l ist die Radialgeschwindigkeit Vr des interstellaren Wasserstoffs relativ zur Sonnenumgebung als Funktion des Abstands r aufgetragen und erreicht ein Maximum Vm bei D, wo der Sehstrahl eine Kreisbahn berührt.
1. Von welcher hypothetischen Position in der Milchstraße müsste ein weiterer Sehstrahl der galaktischen Länge l ausgehen, der sowohl durch das galaktische Zentrum Z als auch den Mittelpunkt M der kreisförmigen Chrysanthemenzentren verläuft, wobei sich galaktische Kreisbahn und chrysanthemischer Kreisrand ge-nau überlagern?
2. Bestimme mit Hilfe des Itensitätsprofils Iv bzw. I(Vr) der 21cm-Linie des neu-tralen Wasserstoffs sowie der galaktischen Rotationskurve V(R) dessen Dichtever- teilung an D, und vergleiche sie mit seiner Dichteverteilung an D', wo Vr auf dem Chrysanthemenkreisrand Vm erreicht.
3. Zeige unter Berücksichtigung des bouguet-lambert-beer'schen Gesetzes den Zusammenhang von Absorbtion des Sonnenlichts und Dichteverteilung des neu-tralen Wasserstoffs jeweils an D der galaktischen Kreisbahn und D' der chrysan-themischen Kreisränder.
Viel Erfolg!
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Bevor die 8c nun aber endlich mit dem Wiederholungstest beginnen konnte, be-gab sich die zuverlässige Klassensprecherin auf höhere Anweisungen hin vorher noch direkt zu jener alten Steinvase, denn nach kritischen Schülereinwänden hat-te der einstige Disneylandprediger auf einen im Ablauf nicht unerheblichen Unter-schied zum ersten Test aufmerksam machen müssen: Ruhe! Als erfahrene Lehrkraft weiß ich natürlich auch, dass hier im Garten derzeit leider keine Chrysanthemen wachsen. Dafür erhaltet ihr von mir jetzt hochwertige Farbkopien, die für sämtli-che Berechnungen in einem konstanten Winkel von µ = 17° zum galaktischen Zentrum Z zu halten sind. Eure Klassensprecherin wird diese gleich aus der Stein-vase, in der ich sie am Boden extra für euch deponiert habe, herausholen und verteilen. Die Kopien bekomme ich jedoch nachher alle wieder zurück. Und dass mir bloß keiner was draufzeichnet oder draufschreibt!
Die Auserwählte ließ sich nach Erreichen des Ziels daraufhin von zwei starken Mitschülern den schweren Deckel abheben und kletterte mehr schlecht als recht an der Vase hoch, bis schießlich ihr Körper langsam aber sicher im Steingefäß verschwand. Zentimeter um Zentimeter tastete sie sich vorsichtig dem für alle so überaus wichtigen Arbeitsmaterial entgegen, allerdings hatte das Mädchen vor lauter Pflichtgefühl die glatte Innenwand eher unzureichend berücksichtigt, wes-halb bald schon beide Beine oberhalb des Randes wild hin und her strampelten; wirklich belustigende Anblicke, welchen Erzrivalin Lea sogleich hämisch grinsend auf Instagram ein würdiges Denkmal setzte.
Hiiiiiiiiiilllllfffffffeeeeeeeee!!!! Ich brauche jetzt dringend nochmal ein paar starke Jungs, die mich retten!!!!, tönte ihre Stimme dumpf aus dem Inneren. Wie auf Be-fehl eilten daraufhin die zwei durchtrainiertesten Fußballer und zugleich unange-fochtene Klassen-Alphamännchen nochmals freudestrahlend herbei, jeder Kerl in-brünstigst hoffend nach erfolgreicher Heldentat seiner angehimmelten langhaari-gen Blondine bald ebenfalls während eines heißen Dates beim "Eis Kaiser" als stolzer Gentlemen von Madame Gewünschtes spendieren zu dürfen; so wie es Herr L. (beziehungsweise Herr U.) an jenem 15. Oktober 2015 vermutlich eben-falls mit unsagbar lässigem Ich zahle, Baby! taten.
